Der Bazar in Al-Rusafa hingegen befand sich in einer eigenartigen Phase. Der Staat wollte ihn nicht, denn er repräsentierte die Macht einer ökonomisch-religiösen Institution. In Teheran sagte man, wenn der Bazar hustet, hat die Stadt eine Erkältung. Man sah in der Struktur der Organisation des Bazars die Macht der Religion und ihrer Institutionen. Sie passte nicht in den Kontext der ökonomischen Vorstellung der Baath Partei. Die Partei der »Wiedergeburt« sollte ein panarabischer Sozialismus sein. Industrialisierung und Verstaatlichung waren das Credo der Ökonomie. Kleinhändler wurden nur rudimentär berücksichtigt.

Auf der anderen Seite des Tigris im Al-Karkh beklagten die Intellektuellen den Zerfall der Häuser und die Degradierung des Quartiers durch die »Unterprivilegierten«. Dass sie es gewesen waren, die das Quartier verlassen hatten, um in anderen, besseren, moderneren Teilen der Stadt zu wohnen, war bekannt, nun wollte man aber auch nicht mehr zurück in jenes Quartier, das inzwischen erheblich an sozialer Qualität verloren hatte. Dieser Prozess ist geradezu exemplarisch für die Altstädte in der arabischen Welt.

Auch in Al-Karkh findet man die eigensinnigen baulich-räumlichen Strukturen der labyrinthartig angelegten Altstadt vor. Die zweigeschossigen Bauten schwingen sich in die engen und sehr engen Gassen hinein. In der Hitze sammeln sich die Frauen in den schattigen Bereichen, um das Essen vorzubereiten und die letzten Neuigkeiten auszutauschen. Wäre der Lärm aus der Haifastraße nicht, so könnte man annehmen, dass sich genau hier der Orient befindet. Der schlechte qualitative Zustand der Häuser und Gassen entsprach der allgemeinen Haltung. Sanierung historischer Quartiere war hier kein Bestandteil der städtebaulichen Strategie. Ein Verhältnis zur Vergangenheit – zur materiellen Kultur – kannten nur einige Ausgewählte. Religiös-rituelle Orte wurden in der Regel geschützt, aber die Bedeutung der physischen Realität des Vergangenen wurde sichtbar ignoriert. Gebäude, Ornamente, Ziegelverkleidungen etc. verfielen oder wurden nur behelfsmäßig instand gesetzt. Das Vergangene ist weniger in der baulich-räumlichen Struktur der Stadt zu finden als in den historisch-heroischen Daten der Geschichte und der Religion.

Omar Akbar

Professor für Architekturtheorie