Die Volkskammer setzt den Schlussstein und schließt den »Dritten Weg« endgültig

Endlich war es am 18. März 1990 soweit. Die DDR-Bevölkerung durfte die Volkskammer erstmals in freier, geheimer und direkter Wahl bestimmen. Das Ergebnis konnte nicht überraschen. Die Monate vorher zeigten ganz klar, wohin die Bevölkerung wollte: Auf der Autobahn in die Bundesrepublik und keineswegs auf einem Dritten Holzweg in den rumänischen Lebensstandard. Vor allem sollten die bisherigen Entwicklungen irreversibel gesichert werden. Das ging nur über das staatliche Verlassen des Moskauer Machtbereichs. Nur die Deutsche Einheit konnte beides garantieren.

Die Wahlergebnisse am 18. März 1990 lauteten wie folgt:

Partei/Liste Stimmen in Prozent Mandate Dritter Weg vs. Einheit
CDU 40,8 163 Deutsche Einheit
SPD 21,9 88 Deutsche Einheit
SED-Nachf. 16,4 66 Dritter Weg
DSU 6,3 25 Deutsche Einheit
Bund Freier Demokraten - DFP - LDP - F.D.P. - Die Liberalen 5,3 21 Deutsche Einheit
Bündnis ’90 2,9 12 Dritter Weg
DBD 2,2 9 Dritter Weg
Grüne Partei + Unabhängiger Frauenverband 2,0 8 Dritter Weg
DA 0,9 4 Deutsche Einheit
NDPD 0,4 2 Deutsche Einheit
DFD 0,3 1 Dritter Weg
Vereinigte Linke 0,2 1 Dritter Weg

Die Parteien der Deutschen Einheit erreichten 75,6 Prozent und bildeten mit diesem Mandat die große Koalition aus CDU, DSU, DA, SPD und dem Bund Freier Demokraten. Da die Wähler am 18.3. nicht nur über die Einheit, sondern auch über den Weg dahin entschieden, war es klar, dass die Koalition die Deutsche Einheit nach dem Grundgesetzartikel 23 per Beitritt mit dem Verständnis der Alliierten und Nachbarn völkerrechtlich sauber anstreben würde. Die Aufgabenfülle des neuen Parlaments und der Regierung war enorm. Die wichtigsten das politische Weltklima betreffenden Schritte waren die Entschuldigung der neuen DDR bei Israel für die über 40jährige antisemitische DDR-Politik inklusive der Schuldanerkennung und der Pflicht zur Wiedergutmachung und der Weg zur tatsächlichen Aussöhnung mit Polen inklusive der Botschaft, dass die deutsche Einheit nicht zu Lasten Polens, sondern nur im gegenseitigem Einvernehmen vollzogen werde. Beide Punkte und weitere wichtige Positionierungen wurden sofort nach der Konstituierung der Volkskammer in der zweiten Sitzung behandelt und beschlossen.

Die Erklärung im Wortlaut:

Gemeinsame Erklärung der Volkskammer

 

Wir, die ersten frei gewählten Parlamentarier der DDR, bekennen uns zur Verantwortung der Deutschen in der DDR für ihre Geschichte und ihre Zukunft und erklären einmütig vor der Weltöffentlichkeit:

Durch Deutsche ist während der Zeit des Nationalsozialismus den Völkern der Welt unermessliches Leid zugefügt worden. Nationalismus und Rassenwahn führten zum Völkermord, insbesondere an den Juden aus allen europäischen Ländern, an den Völkern der Sowjetunion, am polnischen Volk und am Volk der Sinti und Roma.

Diese Schuld darf niemals vergessen werden. Aus ihr wollen wir unsere Verantwortung für die Zukunft ableiten.

1. Das erste frei gewählte Parlament der DDR bekennt sich im Namen der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes zur Mitverantwortung für Demütigung, Vertreibung und Ermordung jüdischer Frauen, Männer und Kinder. Wir empfinden Trauer und Scham und bekennen uns zu dieser Last der Deutschen Geschichte.

Wir bitten die Juden in aller Welt um Verzeihung. Wir bitten das Volk in Israel um Verzeihung für Heuchelei und Feindseligkeit der offiziellen DDR-Politik gegenüber dem Staat Israel und für die Verfolgung und Entwürdigung jüdischer Mitbürger auch nach 1945 in unserem Lande.

Wir erklären, alles uns Mögliche zur Heilung der seelischen und körperlichen Leiden der Überlebenden beitragen zu wollen und für eine gerechte Entschädigung materieller Verluste einzutreten.

Wir wissen uns verpflichtet, die jüdische Religion, Kultur und Tradition in Deutschland in besonderer Weise zu fördern und zu schützen und jüdische Friedhöfe, Synagogen und Gedenkstätten dauernd zu pflegen und zu erhalten.

Eine besondere Aufgabe sehen wir darin, die Jugend unseres Landes zur Achtung vor dem jüdischen Volk zu erziehen und Wissen über jüdische Religion, Tradition und Kultur zu vermitteln.

Wir treten dafür ein, verfolgten Juden in der DDR Asyl zu gewähren.

Wir erklären, uns um die Herstellung diplomatischer Beziehungen und um vielfältige Kontakte zum Staat Israel bemühen zu wollen.

2. Uns, den Abgeordneten des ersten frei gewählten Parlaments der DDR, ist es ein tiefes Bedürfnis, uns mit der folgenden Erklärung an die Bürgerinnen und Bürger der Sowjetunion zu wenden:

Wir haben die furchtbaren Leiden nicht vergessen, die Deutsche im Zweiten Weltkrieg den Menschen in der Sowjetunion zugefügt haben. Diese von Deutschland ausgegangene Gewalt hat schließlich auch unser Volk selbst getroffen. Wir wollen den Prozess der Versöhnung unserer Völker intensiv fortführen.

Unser Anliegen wird es daher sein, Deutschland so in ein gesamteuropäisches Sicherheitssystem zu integrieren, dass unseren Völkern Frieden und Sicherheit garantiert sind.

Wir sind uns bewusst, dass die Umgestaltung in unserem Land nicht möglich gewesen wäre ohne das neue Denken und die Perestroika in der Sowjetunion. Wir sind den Bürgerinnen und Bürgern der Sowjetunion dankbar für die Ermutigung und Anregung, die wir durch sie in dieser Hinsicht empfangen haben. Wir fühlen uns mit ihnen eng verbunden in der Auseinandersetzung mit dem Erbe des Stalinismus und im Wirken für Demokratie.

Ausgehend von den sich verändernden Bedingungen in unseren Ländern und den neuen Tendenzen in den internationalen Beziehungen, werden wir uns mit den Völkern der Sowjetunion um eine konstruktive Politik für Frieden und internationale Zusammenarbeit bemühen. In diesem Sinne regen wir an, die bestehenden Verträge mit der Sowjetunion allmählich und einvernehmlich den neuen Realitäten anzupassen.

3. Die Volkskammer der DDR bekennt sich zur Mitschuld der DDR an der Niederschlagung des "Prager Frühlings" 1968 durch Truppen des Warschauer Paktes.

Mit der unrechtmäßigen militärischen Intervention wurde den Menschen in der Tschechoslowakei großes Leid zugefügt und der Prozess der Demokratisierung in Osteuropa um 20 Jahre verzögert. Der Einmarsch der Volksarmee geschah unter Verletzung des Artikels 8 (2) der Verfassung der DDR.

Wir haben in Angst und Mutlosigkeit diesen Völkerrechtsbruch nicht verhindert.

Das erste frei gewählte Parlament der DDR bittet die Völker der Tschechoslowakei um Entschuldigung für das begangene Unrecht.

4. Die Bevölkerung der DDR hat durch ihre friedliche Revolution im Herbst 1989 die trennende Wirkung der menschenverachtenden innerdeutschen Grenze beseitigt. Nun sollen die beiden Teile Deutschlands zusammenwachsen und dabei die Herausbildung einer gesamteuropäischen Friedensordnung im Rahmen des KSZE-Prozesses fördern.

Wir sehen eine besondere Verantwortung darin, unsere historisch gewachsenen Beziehungen zu den Völkern Osteuropas in den europäischen Einigungsprozess einzubringen.

In diesem Zusammenhang erklären wir erneut feierlich, die im Ergebnis des Zweiten Weltkrieges entstandenen deutschen Grenzen zu allen Anrainerstaaten ohne Bedingungen anzuerkennen.

Insbesondere das polnische Volk soll wissen, dass sein Recht, in sicheren Grenzen zu leben, von uns Deutschen weder jetzt noch in Zukunft durch Gebietsansprüche in Frage gestellt wird.

Wir bekräftigen die Unverletzbarkeit der Oder-Neiße-Grenze zur Republik Polen als Grundlage des friedlichen Zusammenlebens unserer Völker in einem gemeinsamen europäischen Haus.

Dies soll ein künftiges gesamtdeutsches Parlament vertraglich bestätigen.

 

Berlin, 12. April 1990

 

Die Fraktionen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik

 

(Quelle: http://www.ddr89.de/ddr89/vk/vk_Erklaerung.html)

Die DDR-Verfassung selbst musste für den kommenden Beitritt ›vorbereitet‹ werden. In der Wikipedia ist das recht ordentlich beschrieben:

Während sich aber nach den ersten freien Wahlen vom 18. März 1990 immer stärker abzeichnete, dass die Volkskammer den Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik beschließen würde, erließ sie am 17. Juni 1990, dem Jahrestag des Volksaufstandes von 1953, mit dem Verfassungsgrundsätzegesetz neue Verfassungsgrundsätze (Anm. 11), welche bestimmte freiheitliche und demokratische Prinzipien gegenüber dem DDR-Verfassungstext für vorrangig erklärten. Er bestand demgemäß noch bis zur deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober desselben Jahres.

Diese Schilderungen erheben keinen Anspruch auf eine historisch detaillierte Untersuchung der Arbeit der freien Volkskammer. Entsprechende Fachliteratur, beispielsweise aus der Feder des SPD-Fraktionsvorsitzenden Richard Schröder, gibt es zur Genüge. Mir geht es um die lange Linie des politischen Streits auf dem Weg zur Deutschen Einheit gegen den massiven Widerstand der alten Eliten und (leider auch) gegen den aus ganz anderen Gründen motivierten Widerstand vieler damaliger Oppositioneller. Während die SED ihre DDR tapezieren wollten, wollte vieler der Oppositionellen erstmal aufräumen und selbst was Ordentliches aufbauen. Nett gedacht, aber realiter ein Ding der Unmöglichkeit. Die Verantwortung für Millionen wog einfach schwerer.

Die Meilensteine auf dem Weg zum Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes sind mit den Begriffen ›Währungs- Wirtschafts- und Sozialunion‹ zum 1.7.1990, ›Einigungsvertrag‹ vom 31.08.1990, ›Wahlvertrag‹ vom 3.8.1990 mit einem einheitlichem Wahlgebiet und einheitlicher Fünf-Prozent-Klausel (geändert auf getrennte Wahlgebiete vom Bundesverfassungsgericht auf Grund einer Klage von Bündnis ’90 und SED-Nachf.), SED-Unrechtsbereinigungsgesetze, Umgang mit den Stasiakten (konnte erst der gesamtdeutsche Bundestag klären), Ländereinführungsgesetz sowie 2 plus 4-Vertrag umschrieben. Insgesamt war die Arbeitsfülle in jedem Rechts-, Verwaltungs-, Wirtschafts-- und Sozialbereich der DDR historisch immens. Die Volkskammer galt den Zeitgenossen zu Recht als sehr fleißiges Arbeits- und Entscheidungsparlament

Retour zu den Holzwegebauern der alten Garde. Der wirtschaftlich determinierte Zusammenbruch des Ostblocks und der DDR führte zum Umständen, wie Richard Schröder sie in seiner unnachahmlichen Art in der Volkskammer beschrieb:

Menschen, die ein gemeinsamer Schicksalsschlag trifft, suchen zumeist nach einem Sündenbock. Dabei werden sie sehr empfänglich für Verschwörungstheorien. Bis heute hält sich eine solche Verschwörungstheorie: Die Treuhandanstalt habe die DDR-Wirtschaft ruiniert.
Richtig ist daran nur, dass die unglaublich hohe Arbeitslosigkeit erst ausbrach, nachdem 1990 die Treuhand die Verantwortung für die volkseigene Wirtschaft übernommen hatte.
Das beweist aber nicht, dass diese Betriebe ohne Treuhand hätten weitermachen können wie bisher. Wenn ein Arzt einem Patienten ein Bein amputieren muss, kann der Patient zwar behaupten, der Arzt sei dran schuld, dass er nun einbeinig ist. Doch er verschweigt dann, dass er andernfalls zweibeinig, aber tot wäre. Denn das amputierte Bein war krank und eine Lebensgefahr.

Der Patient DDR war 1989 todkrank und wäre allein niemals wieder auf gesunde Füße gekommen. Die Apologeten des Dritten Weges wandelten sozusagen im luftleeren Raum. An anderer Stelle beschrieb ich das ausführlich mit Blick auf meine eigenen (Lebens-)Erfahrungen innerhalb der DDR-Wirtschaft. Diese Kernbotschaft war auch wesentlicher Teil des Berichts von Gerhard Schürer an das SED-Politbüro am 30. Oktober 1989. Nur die SED-Nachf. wühlten und kämpften sich an langer Linie durch. Die kommenden SED-Stolpersteine inmitten des Feindeslandes Bundesrepublik Deutschland lagen bereits im Rohr: Montagsdemonstrationen 1991 gegen die Treuhand und zum Sturz der gerade erst gewählten Regierung Kohl - Komitees für Gerechtigkeit – Tolerierung der SPD/Grünen Minderheitsregierung in Sachsen-Anhalt ab 1994 (eine Folgedummheit der SPD aus dem SPD/SED-Papier von 1987) – Erfurter Erklärung 1997 – SED-SPD-Koalitionen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt ab 1999 – SPD/SED-Koalition in Ernst Reuters und Willy Brandts Berlin – der fatale SPD-Öffnungsbeschluss zu Linksaußen in Leipzig (sic!) November 2013 – SudelRotGrün Thüringen 2014 - ????

Doch jetzt wurde erstmal in Berlin fleißig gegen die große Koalition demonstriert. Beispielsweise erinnere ich mich noch an eine große Bauerndemonstration, die enorme Mengen Milch aus Tanklastern vor dem Republikpalast abließ, oder auch an Bilder von massenhaft getöteten Schweinen. Aber noch ging es um die Abwendung des Beitrittsbeschlusses. Das Rezept hieß viel Entrüstung und Verteuerung der Einheitsszenarien. Würde die entfesselte ostdeutsche Entrüstung über Modrows Kind Treuhand unter den Bedingungen der Koalition nicht genügen, würde vielleicht der westdeutsche Egoismus das Tor vom Westen her zu machen? Der Egoismusanfacher Lafontaine auf westdeutscher Seite tat jedenfalls sein Bestes. Ihn trifft keinerlei Schuld an der Deutschen Einheit.

Den Bremsern hieben wie drüben wurde kein Erfolg beschieden. Am 23. August 1990 stimmten 294 von 363 Volkskammerabgeordneten für den Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes nach GG 23 zum 3. Oktober 1990. Damit sicherten sie die nach dem 9. Oktober 1989 errungenen Freiheiten in Ostdeutschland unter dem Dach der Deutschen Einheit nach zeitgenössischem Ermessen völkerrechtlich irreversibel ab. Moskau würde in historisch kurzer Perspektive keine Chance mehr bekommen, Ostdeutschland (inzwischen) als Teil von Europäischer Union, Westeuropäischer Verteidigungsunion und NATO erneut zu unterdrücken.

Tatsächlich gebannt war diese Gefahr aber erst am 31. August 1994 (http://www.zeit.de/2014/14/russen-soldaten-abzug-ddr). An dem Tag verließen die letzten (nunmehr) russischen Soldaten deutsches Hoheitsgebiet. Erst seitdem liegen zwischen Deutschland und Rußland rund 700 Kilometer Polen und Baltische Staaten als Sicherheitspuffer. Ein Sicherheitspuffer, der inzwischen ebenso zur EU und zur NATO gehört und sich nicht zuletzt auch aus Gründen unserer eigenen Sicherheit auf unsere Solidarität verlassen kann und muss.

Ebenfalls am 23. August 1990 entschied die Volkskammermehrheit, die Illusion eines sogenannten Dritten Weges für Ostdeutschland endgültig dem Papierkorb der Freiheit zu überantworten.

Der Volkskammerbeschluss von 1990:


 

Ein Jahr später bestätigten in Moskau putschende Hardliner, wie klein unser Zeitfenster in die Freiheit tatsächlich war und wie richtig unser Weg in die Deutsche Einheit statt des Dritten Weges:

 

 

Für den 21. August 1991 riefen verschiedene Leipziger Parteien und deren Nachwuchs zu einer Solidaritätskundgebung für Gorbatschow mit anschließendem Demonstrationszug zum sowjetischen Generalkonsulat auf. Treffpunkt um 18 Uhr sollte der Markt vor dem Alten Rathaus sein. Für die SPD sollte ich sprechen. Leider fiel die Veranstaltung aus. Die Gründe sind mir nicht mehr bekannt. Es muss Rangeleien im Rathaus gegeben haben. Bündnis’90/Die Grünen beanspruchten Platz und Zeit und unsere Anmelder kamen wohl zu spät. So hatte ich zwar mein Manuskript fertig, konnte die Rede dann aber doch nicht an den Mann/die Frau bringen. Kismet.

Hier die Rede für den 21. August 1991 :

Solidarität mit Gorbatschow! [Es gilt das gesprochene Wort!]
Sehr geehrte Anwesende, wir stehen heute hier für Michail Gorbatschow und seine Perestroika. Ohne Gorbatschow sind weder die bisherige Abrüstung noch die Öffnung des Ostens denkbar. Auch keine erfolgreichen Befreiungsbewegungen im Ostblock. Er öffnete die Fenster und ließ frische Luft ins sozialistische Lager.
Dafür wird Gorbatschow in die Geschichtsbücher eingehen! In unseren Herzen wohnt er schon lange. Deshalb zeigen wir unsere Verbundenheit mit ihm, Jelzin und der gesamten Reformbewegung. Die demokratische Welt muß verhindern, dass im Ursprungsland von Perestroika und Glasnost deren wichtige Botschaft nicht stirbt!
Durch die von Gorbatschow ermöglichte Deutsche Einheit sind wir nun ziemlich sicher vor restaurativen Versuchen analog denen gerade in Moskau. Doch zwingt uns nicht zuletzt auch genau dies, unsere Dankbarkeit und Solidarität zu zeigen!

Wir erwarten von den Putschisten:
1. Ein Lebenszeichen von Gorbatschow und dessen sofortige Freilassung!
2. Die Aufgabe ihres Vorhabens!

Wir erwarten von den Demokratien dieser Erde:
1. Massiven politischen und wirtschaftlichen Druck auf die Putschisten, um diese zum Rückzug zu bewegen! Gorbatschow muss wissen, ihm steht überall Asyl zu.
2. Im Falle eines positiven Ausgangs der Moskauer Ereignisse müssen die westlichen Staaten der Sowjetunion schneller, direkter und wirksamer als bisher helfen, ihre Wirtschaft zu reformieren! In diesem Fall erwarten wir im Gegenzug ein energischeres Herangehen der sowjetischen Reformer an ihre Aufgaben.
3. Aus den derzeitigen Ereignissen folgt der Zwang, den osteuropäischen Demokratien stärker zu helfen! Nur wirtschaftlich gesunde Demokratien sind sicher vor Putschversuchen alter und neuer starker Männer.

Wir erwarten von der Bundesregierung und der Sowjetunion:
1. Eine Temposteigerung des Abzugs der Sowjetischen Streitkräfte aus Deutschland!
2. Die diplomatische Anerkennung der Baltischen Staaten! Der Hitler-Stalin-Pakt muß endlich der Reißmaschine überantwortet werden.

Wir Leipziger stehen zu den Reformern in der Sowjetunion! Heißen diese nun Gorbatschow oder Jelzin. Beide stehen für den ersten Sieg der Völker in der 1000jährigen russisch-sowjetischen Geschichte.

Bis 1989 war die Sache klar. Hier war die freie Bundesrepublik – da die kommunistische Diktatur unter Führung der SED. Die Feinde der Freiheit standen staatsrechtlich außerhalb, vom MfS abgesehen.

Dann errangen die Ostdeutschen ihre Freiheit und brachten sich und die Gegner der Freiheit mit in die Einheit. Ich meine, das ist durchaus im täglichen Miteinander immer wieder eine Herausforderung.
Zwar verdünnten wir mit der Einheit die hunderttausende Stasileute und 2,3 Millionen SED-Mitglieder inmitten von 82 statt 16 Millionen Deutschen und schoben der Restauration der Bourbonen damit einen starken Riegel vor, doch begann nun das zermürbende Klein-Klein mit den SED-Nachfolgern. Das ist auch nicht wirklich schön, doch unendlich besser als die vorherige Variante! Ich bin ganz froh.

Den Schluss dieses Kapitels behalte ich Erich Loest vor:

Den Staat opfern, die Partei retten

Ratzel:

Wir haben den Staat und die Staatssicherheit abgegeben, denn die Stasi hat doch nichts mit der Partei zu tun. Wichtig ist, dass wir die Partei erhalten, das Parteivermögen retten und unsere Posten besetzen. Und wenn das Schwein fett genug ist zum Schlachten, übernehmen wir wieder die Macht.

(Erich Loest, Ratzel speist im Falco).

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