Wie sie sich ihr verschrieben, wie die Vergöttlichte Zug um Zug die Sprossen der Macht erklimmt, wie sie schließlich als Mäusekönigin im Mäusehermelin vor ihren beidläufig gerührten Untertaninnen und ‑tanen paradiert, wann immer sich eine Gelegenheit auftut, und dabei doch stets ihr unscheinbar bleibendes Stimmchen einbringt, das alles ist schon tausendmal erzählt worden. Vermutlich wird es unzählige weitere Male erzählt werden. Der Reichtum dessen, was zur Erzählung drängt, verlangt nach dem Nadelöhr: Hier ist es. Erzähler, man glaubt es kaum, neigen zur Wiederholung, immer wieder muss auf den Tisch, was schon beim vorigen Mal ungläubiges Erstaunen hervorrief, jeder hofft, diesmal würde man es ihm abnehmen, und dann ist alles wieder wie letztes Mal. Ungeschrieben hingegen blieb die Geschichte von Josefines nicht enden wollendem Abgang, obwohl gerade sie die packenderen Lektionen für angehende Mausforscher bereithält.
Das Mausuniversum teilt sich in zwei Räume: einen Unterhaltsraum und einen Piepsraum. Im Unterhaltsraum wird gefuttert, dass die kleinen Kiefern knacken, im Piepsraum teilt die Mäusenation sich der Welt mit, von der sie annimmt, dass sie mithört, was hier geschrien wird. Überhaupt ist sie besessen vom Mithören. Das geringste Knacken in der Leitung gilt als Beweis, dass ein Unbekannter sich in der Leitung befindet, wo doch jeder weiß, dass die wirkliche Datenprozession längst in aller Stille stattfindet. Es stört die Mäusenation nicht, dass sie in der Vergangenheit lebt. Josefine zum Beispiel bringt so wenig Gegenwart auf die Waage, dass Lästermäuler behaupten, sie habe sich einmal daran verschluckt, ohne es zu bemerken. Man kann das als Spott auf sich beruhen lassen. Doch der Wahrheitsgehalt der Aussage wird durch die Einschränkung nicht berührt. Überhaupt wählen Mäuse den Spott, wann immer sie eine Wahrheit zum Ausdruck zu bringen wünschen; sie lügen, sobald sie behaupten, es sei ihnen ernst. Daraus hat sich im Laufe der Zeit eine Wissenschaft entwickelt, die Wissenschaft von der Wahrheit, in der alle Sätze mit den Worten ›Es war einmal‹ beginnen wie sonst nur im Märchen. Geborene Eristiker wählen als Einstieg die Formel ›Es war alles ganz anders‹, doch am Ende kommt es auch hier aufs Selbe heraus. Josefine zum Beispiel, die keine Zeit hat, sich mit Märchen abzugeben, da sie regieren muss, lässt sich täglich aus einem Märchenbuch vorlesen, das den Titel »Wahrheit« trägt. Da kennt sie sich gleich wieder aus und weiß, was zu tun bleibt.
Die Wahrheit ist, dass Josefine nur wenig Zeit zum Regieren bleibt. Im Herzen ist sie immer noch Sängerin und übt den lieben langen Tag die schwierigsten Opernpartien, mit denen sie nie in die Öffentlichkeit ginge, aus Angst sich zu blamieren. Sie plant aber ihr Comeback für die Zeit, zu der sie die Bürde der Macht von sich geworfen haben wird, und dafür hält sie sich fit. Diesen Zug teilt sie mit ihren Ministern und Ministerialen, die zwar kein Comeback planen, da sie nirgendwoher kommen als aus Mutters guter Stube, aber bereits im Amt damit ausgelastet sind, sich eine schöne Karriere danach zusammenzubasteln. Doch da Josefine kein anderes Herzensbedürfnis zu kennen scheint als ihren Gesang, für den sich seit dem Abgang der fliegenden Roberts im Grunde niemand erwärmt, hält ihre Umgebung sie für weltfremd und verachtet sie dafür – natürlich nur in petto, denn offiziell sind alle, vom unabhängigen Geist bis zum vollendeten Schleimer, voll des Lobes für ihr professionelles Regiment, das so überzeugend mit Aus‑ wie Einfällen geizt.