Klimakiller
Zwischen 1950 und 2000 stieg die Durchschnittstemperatur über den Landmassen der Erde um einen Wert unter einem Grad Celsius an. Tiefer liegt, bei weit geringerer Dichte der Messstationen, der entsprechend über der Meeresoberfläche ermittelte Wert. Im gleichen Zeitraum stieg, mit wachsender Tendenz, der atmosphärische CO2-Anteil im Weltdurchschnitt um ca. 50 ppm, von denen man auf Grund von Isotop-Messungen annimmt, dass sie durch menschliche Emissionen zustandekommen: eine ebenfalls rein statistische Größe, die keinerlei Aussage über die etwa auf einer NASA-Animation zu betrachtende, den staunenden Laien recht ungleich anmutende Verteilung des Spurengases in der, sagen wir, erdumspannenden Troposphäre enthält, geschweige denn darüber, ob das wichtig ist oder nicht.
Geschrieben von Hans von Storch und Nico Stehr
Während das Klimathema in diesem Sommer das allüberragende Thema in der öffentlichen Diskussion ist, fokussiert sich die politische Wahrnehmung auf unwirksame, symbolische Maßnahmen, die nur bedingt etwas mit Klima zu tun haben: Geschwindigkeitsbegrenzungen, Wegwerftassen, Tierwohl, Dieselverbot, Flugscham, um einige zu nennen. Derweil werden die zwei wirklich relevanten Aspekte ausgeblendet. Einmal, dass das 2 Grad-Ziel nur eingehalten werden kann, wenn in allen Ländern der Welt wirksame, auf die Quantität der globalen Emissionen gezielte Maßnahmen schnell eingeleitet werden. Zum anderen, dass auch im optimistischen Fall die gegenwärtigen Klimaänderungen sich weiter verschärfen werden, und ebenfalls überall auf der Welt, aber regionalspezifisch, Vorsorge zu schaffen ist, wie mit diesen Änderungen umgegangen werden kann.
In einer Fernsehdiskussion zitierte der Historiker Michael Stürmer kürzlich einen Ausspruch des früheren britischen Premierministers Harold Mcmillan: »Was bewegt die Politik? Ereignisse, Ereignisse, Ereignisse«. Dies erinnerte mich an das berühmte Diktum des Nestors der deutschen Politikwissenschaft Ernst Fraenkel: »In der Politik geht es erstens um Macht, zweitens um Macht und drittens um Macht.«
Ja, was ›bewegt‹ sie denn wirklich? Machtstreben oder das Reagieren auf Ereignisse? Die Antwort darauf ist einfach: Beides. Und vor allem: Beides zugleich!
I.
In der ersten – Fraenkelschen – Perspektive wird Politik als strategisches Handeln aufgefasst, das darauf gerichtet ist, den eigenen Willen, sei er durch Interessen, Ziele oder bestimmte Ordnungsvorstellungen gekennzeichnet, auch gegen das Widerstreben anderer durchzusetzen. Ein solcher, eng an die bekannte Machtdefinition Max Webers angelehnter Politikbegriff hat verschiedene Vor- und Nachteile.
Der erste Vorteil ist: Er charakterisiert das Feld der Politik als Arena widerstreitender Akteure, die versuchen, ihre jeweiligen Interessen mit geeigneten Mitteln und Methoden gegen andere, ebenfalls interessierte Akteure durchzusetzen und ihnen gegenüber dauerhaft die Oberhand zu gewinnen. Politik wird auf diese Weise prinzipiell an handelnde Subjekte – Personen oder Organisationen, die wiederum von Personen geführt werden – gebunden: Sie wird von ihnen ›gemacht‹. Eine solche Auffassung vermeidet von vornherein ein entsubjektiviertes Politik- und Gesellschaftsverständnis, wie es heute so oft in den Begriffen von ›Globalisierung‹, ›demographische Entwicklung‹ oder ›Moderne‹ auftaucht. Die Legierung von Politik und Macht nennt immer schon Ross und Reiter und versteckt sie nicht hinter begrifflichen Abstraktionen.