Nach der Bundestagswahl von 1983
Die Bundestagswahl vom März 1983 brachte auch personelle und inhaltliche Veränderungen innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion. Die von Egon Bahr angelegte Politik der absoluten Priorität des Friedens unter einer schwächeren Betonung des Selbstbestimmungsrechts der Deutschen und der Freiheit fand immer breitere Unterstützung, besonders in der Partei und in der Fraktion. Hinzu kam das Hineinwirken der deutschen Friedensbewegung in die Fraktion. Viele SPD-Abgeordnete waren selbst in der Friedensbewegung aktiv. Die Notwendigkeit, sich für Frieden und Abrüstung einzusetzen, wurde von ihnen in einer Situation, die sie angesichts von atomaren Waffen, die wie die Pershing II oder die auf der östlichen Seite stationierten SS 20 die Vorwarnzeiten bei einem nuklearen Schlagabtausch auf nur noch wenige Minuten verkürzten, als über allem anderen stehend eingeschätzt.
Trotz gegenteiliger Ansichten, wie sie z.B. MdB Dieter Haack vertrat, daß sich nämlich gegenüber den sechziger oder siebziger Jahren die »Gefahr der atomaren Vernichtung« nicht verändert habe, und daher »für die SPD Friedenspolitik und Sicherheit der Freiheit untrennbar verbunden« (45) bleiben sollten, setzte sich in der Partei die Ansicht durch, daß Frieden und Stabilität in Europa Auftrag und Voraussetzungen jeder Deutschlandpolitik sein müßten.
Dazu trug die Diskussion über die Stationierung von Pershing II-Raketen und Cruise Missiles in der Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien und Italien bei. Die Sozialdemokraten warnten davor, daß diese Stationierung die 0st-West-Beziehungen verschlechtern werden würde. Diese Befürchtungen trafen jedoch nicht ein. Das deutsch-deutsche Verhältnis bewies eine erstaunlich neue Qualität. Trotz einer spürbaren Phase der Spannung zwischen Ost und West wegen der vollzogenen Nachrüstung bekamen die Menschen in der Bundesrepublik und der DDR nicht wie in ähnlichen Spannungszuständen früherer Zeiten die gewohnte Aggressivität zu spüren, die sich z.B. in den Verschlechterungen des Zugangs zu Berlin oder ähnlichem manifestiert hatte. Es zeigte sich, daß das Netz der geschlossenen Verträge offensichtlich trotz Spannungen und trotz eines Regierungswechsels hielt.