Fazit

Weil Kant die Idee einer bloß möglichen »Kritik der kulinarischen Vernunft« genau in dieser Weise als kulminierend in einem gelingendem Gespräch spezifiziert hat, kommt er einerseits dem Platonischen Symposion nahe, in dem wir auch nicht erfahren, was dort gegessen wurde, ja wo von unserem Ziehvater Sokrates ausdrücklich gesagt wird, daß er zum Essen zu spät kam und die Einmischung in das Gespräch sein eigentlicher Beitrag ist; zugleich und andererseits geht Kant ganz deutlich über die Platonische Mißachtung des Essens und der Kochkunst hinaus, wie wir sie im »Gorgias« und in der »Politeia« finden, indem Kant es nicht unter seiner Würde findet, an diversen Stellen seines Gesamtwerkes den Speisen und Getränken seine Aufmerksamkeit zu widmen, z.B. der Würdigung von Wein und Bier in ihren spezifischen sozialen Wirkungen.[ 1 ]

Und schließlich weist seine Philosophie der Mahlzeit über eine Phänomenologie der Leiblichkeit hinaus, indem sie das Gespräch, d.h. ein echtes Medium, ein Zwischen, in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Bemühung um ein »höchstes moralisch-physisches Gut" rückt, während die Phänomenologie der Leiblichkeit eine »intercorporéité«[ 2 ] erfinden muß, um das Zwischen thematisieren zu können. Eine solche bliebe immer hinter den von J.-L. Nancy im Anschluß § 26 von »Sein und Zeit« aufgestellten Forderungen der Begründung einer im Kern sozialen Ontologie des In/Zwischen zurück.[ 3 ] Eine Sozialontologie des kommunikativen Textes,[ 4 ] die versucht, dieses Postulat einzulösen, darf sich auf die Kantische Philosophie der Mahlzeit als eines »höchsten moralisch-physischen Guts« berufen und stützen.

 

1 ] Anth, AA 07, 169f.
2 ] Merleau-Ponty, Maurice, a. a. O., 185ff.
3 ] Nancy, Jean-Luc: singulär plural sein. Berlin. 2004, 54, passim.
4 ] Vgl. Röttgers, Kurt: Kategorien der Sozialphilosophie. Berlin 2002.

 

Kurt Röttgers

Philosoph

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