Über das Ökonomie-Defizit bei Carl Schmitt
Carl Schmitt hat Konjunktur. Wer daran zweifelt, möge nach dem Streit über seine Person sowie seine Verstrickungen mit dem Nazi-Regime die vielfältigen, tiefschürfenden Auseinandersetzungen der letzten Jahre mit seinem Œuvre heranziehen. Daran ändert die Warnung von Habermas wenig, die Beschäftigung mit Carl Schmitt sei eine Einstiegsdroge in den Traum vom starken Staat (»Die Stellung von Carl Schmitt in der deutschen Geistesgeschichte«, erstmals veröffentlicht als Besprechung zu Dirk van Laak: Gespräche in der Sicherheit des Schweigens, in: Die Zeit vom 3.12.1993). Die Wiederentdeckung des Schmittschen Werkes in der späten Bundesrepublik – z.B. durch die Studie von Ruth Groh zum Mythos-Begriff (Groh 1998) – wird entsprechend der Konzentrierung des politischen Denkens auf die Zeit der Nazi-Herrschaft stets von der Frage begleitet, ob angesichts der publizistischen Parteinahme Schmitts in den Jahren 1933 bis 36 eine rückhaltlose Kritik seiner Schriften – sei sie positiv oder negativ – überhaupt politisch zulässig sei.
Die Biographie von Mehring (Mehring 2009) war ein großer Fortschritt zur Bewältigung der Schmitt-Problematik im deutschen Geistesleben.
In seinem faktenreichen Werk bemüht sich Mehring – dessen Vorteil es ist, nicht nur das Œuvre von Carl Schmitt bestens zu kennen, sondern auch dessen Tagebücher ausgewertet zu haben – erfolgreich, den Werdegang Schmitts mit biographischen Bausteinen zu pflastern. Ferner gelingt es ihm, die Entstehung seiner Schriften im historischen Kontext zu analysieren und in die jeweilige Lebenssituation Schmitts einzubetten. Entstanden ist somit eine biographisch akzentuierte Werksynthese, die es einem am Werk und Leben Schmitts Interessierten erlaubt, sich ein eigenes Bild zu machen von dem windungsreichen Leben jenes deutschen Juristen, der weltweit zu den meist gelesenen deutschen Autoren gehört.
Interessante Einsichten vermittelt die Biographie Mehrings über die insistierenden Bemühungen Schmitts, für von Papen und Schleicher eine Präsidialdiktatur institutionell zu konzipieren und auf diese Art und Weise die Legalität der Weimarer Republik zu retten.
Zu diesem Zeitpunkt sieht Schmitt die Hitler-Bewegung als das, was sie ist: Verfassungsfeind. Nachdem diese Versuche scheitern und am 30.1.1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wird, wechselt Schmitt nicht nur die Seiten durch seinen Parteieintritt mit Wirkung zum 1.5.1933, sondern brennt vor Ehrgeiz, Rechnungen mit Kollegen zu begleichen, Spielmacher der neuen Bewegung zu sein und sich als besonders eifriger Helfershelfer bei der staatsrechtlichen Sinnstiftung der nationalsozialistischen Revolution zu betätigen. Mehring schätzt die politische Bedeutung von Schmitts Rolle in dieser Zeit bis zu seinem Streit mit dem SS-Mann Reinhard Höhn im Jahr 1936 als gering ein. Ausweislich seines Kommentars zum Reichsstatthaltergesetz sowie seiner flüchtig dahingeschriebenen Broschüren bis zu dem berühmt-berüchtigten Aufsatz in der Juristenzeitung Der Führer schützt das Recht hat Schmitt nichts bewegt, aber den Untaten des Regimes staatsrechtliche Legitimität verschafft. Beeindruckend ist die Dokumentation Mehrings auch in menschlicher Hinsicht: mit welcher Schnelligkeit und Skrupellosigkeit Schmitt Kollegen nicht nur aufgibt, sondern mitverfolgt (besonders deutlich ist der Fall von Erich Kaufmann) lässt menschliche Abgründe sichtbar werden. Selbst ein alter Freund wie Ernst Jünger ist angesichts der hemmungslosen Parteinahme Schmitts auf Distanz gegangen. Erneut erklärt Mehring das Verhalten Schmitts mit einem Mangel an Judiz. Er habe als Mitträger dieser Bewegung die Konsequenzen für Deutschland unzutreffend eingeschätzt.
Nach dem Krieg findet der mit Publikationsverbot belegte Schmitt nur mühsam den Weg in die Nachkriegsgesellschaft zurück.
Von besonderem Interesse – gerade auch unter dem Gesichtspunkt des Wissenschafts-Networkings – ist jener Teil der Biographie, der sich mit der Rezeption und der Wirkung von Schmitts Werks in der Bundesrepublik Deutschland befasst. Zum einen wird deutlich, wie die erste Generation von Schülern, neben Ernst Rudolf Huber insbesondere Ernst Forsthoff – in Gestalt des ›Ebrach-Kreises‹ – Schmitt wieder eine Plattform gaben, andererseits Schmitt mit der Energie eines literarischen Kraftwerks sich nicht mit seiner Niederlage und Verbannung abfand, sondern nach Betätigung und Bestätigung suchte. Mehring würdigt in diesem Zusammenhang besonders die Rolle von Ernst-Wolfgang Böckenförde, dem ehemaligen Richter des Bundesverfassungsgerichts, der nach Meinung Mehrings in den 60er Jahren zum Schrittmacher der liberalen Rezeption Schmitts geworden sei (531ff.).
Mehring belegt anhand der Korrespondenz zwischen Böckenförde und Schmitt die Intensität des Dialogs zwischen beiden. Immer wieder habe Böckenförde – ausweislich der Korrespondenz – Schmitt »zum Schreiben getrieben« und nicht umsonst habe er ihm seine Antrittsvorlesung 1977 in Freiburg (»Der verdrängte Ausnahmezustand«) gewidmet. Aber nicht nur Böckenförde, sondern auch Koselleck und später dann Dieter Groh waren entweder Meisterschüler oder zumindest eifrige Rezipienten. Allein der Kontakt mit Julien Freund (569, 527ff.) wird ggfs. nur verkürzt wiedergegeben. Gerade um diesen Kontakt war Schmitt nicht verlegen. Denn aufgrund seiner Belastung in der NS-Zeit war er froh darüber, die wissenschaftliche Aufmerksamkeit eines elsässischen Franzosen israelitischer Konfession zu erhalten, der sich um die Verbreitung seines Werkes in Frankreich eifrig bemüht (Taguieff 2008, 35ff., 131f., sowie im Nachtrag zu Julien Freund, L’Essence du politique, 832 ff.). Gerade der Kontakt mit Freund beweist Schmitts Geschicklichkeit in der Instrumentalisierung von Rezipienten seines Schaffens, um so die Ober-Hoheit über die Interpretation seines Werkes zu erlangen.
»Wie hältst Du es mit Carl Schmitt?« scheint eine Gretchenfrage der political correctness geworden zu sein. Jedenfalls kann man sich dieses Eindrucks nicht erwehren, wenn man den Kreuzzug, den Bernd Rüthers seit Jahren gegen Carl Schmitt, dessen Rezeption sowie seine Verehrergemeinde führt, analysiert. Wer sich so ideologieanfällig wie Schmitt dem mainstream des Zeitgeistes angepasst habe – so behauptet Rüthers – mit dem sei die inhaltliche Auseinandersetzung ohne Berücksichtigung dieses persönlichen und historischen Hintergrundes schlechthin nicht statthaft (Rüthers 21995, 82, sowie ders. 1990, 57ff.). Dementsprechend fallen die Urteile über die vor und nach der Nazi-Zeit von Schmitt verfassten Schriften vernichtend aus (Rüthers 1990, S. 71°ff., ders. 21989, 150f.). Auch in seiner letzten Stellungnahme sieht Rüthers das gesamte Werk Schmitts von dessen Opportunismus während der Nazi-Zeit infiziert und begnügt sich mit der Aburteilung der Schmittschen Positionen und Begriffe. Darüber hinaus ist Carl Schmitt für Rüthers der Antichrist schlechthin, der Katholizismus lediglich als politisch-monokratische Organisationsform ansehe, aber dem Glaubensinhalt der christlichen Botschaft fernstehe (FAZ v. 28.11.1997, 14) Diese Kritik ist mehr als die Wiederholung des semantischen Fehlgriffs von Quaritsch, der Schmitt für die Zeit von 1933 bis 36 als Konvertit einordnete (Quaritsch 31995, 83). Es ist die willentliche Aussonderung Schmitts aus der geistig-spirituellen Sphäre praktischer Katholizität. Dies soll in das Mark eines Mannes treffen, der von sich behauptete: »Ich bin so katholisch, wie der Baum grün ist« (Quaritsch, a.a.O., 34).
Daher lässt der Widerspruch gerade in diesem Punkt nicht auf sich warten. Einer der renommiertesten Schüler Schmitts, der ansonsten gratwandernd formulierende E.-W. Böckenförde, weist in diesem Punkt auf die konsistente und authentische Katholizität von Schmitt hin (FAZ vom 11.7.1997).
Dass der Streit um die Katholizität von Carl Schmitt zwischen Rüthers und Böckenförde in solcher Schärfe ausgetragen wird, mag mit dem Selbstverständnis dieser Antipoden in der Schmitt-Debatte als Katholiken zu tun haben. Doch so verständlich dies auch sein mag, es ist für die Frage nach der Bedeutung der Schmittschen Positionen und Begriffe für die Politizität der heutigen Auseinandersetzung unerheblich. Mit Politizität soll hier der Grad des Politischen, das Ausmaß der politischen Qualität und die Dimension politischer Konfliktbereitschaft bezeichnet werden. Wie immer man zu dem berühmt-berüchtigten Kriterium des Politischen in der Unterscheidung zwischen Freund und Feind stehen mag, so führt in dem zu voller Souveränität wiedererstarkten Deutschland inmitten einer pluralen Staatenwelt kein Weg an der Neubestimmung des Politischen vorbei (Schmitt 31991). Was in der Zeit des Wirtschaftswunders aufgrund limitierter Souveränität als Schnee von gestern erschien, hat zum Bedauern der Unpolitischen längst wieder seine ganze Bedeutung erlangt. Dabei steht bei den auswärtigen Sachverhalten Deutschlands Rolle in der Welt im Mittelpunkt, während die Binnensphäre der deutschen Politik aus dem Dornröschenschlaf einer verschweizerten Mittelmacht erwacht ist:
Auf keinem Politikfeld wird es mit der Konsenspolitik der runden Tische, die im eigentlichen Sinne keine Politik ist, so weitergehen. Vielmehr verlangt der Ernst der wirtschaftlichen Lage und der zunehmende institutionelle Verfall die Akzeptanz von Konflikt und die Bereitschaft zu jener großen moralischen Dezision, die ganz bewusst die Verletzung von partikularen Interessen um des Gemeinwohls willen einkalkuliert. Dies gilt auch und besonders für die Außenpolitik Deutschlands, will man sich nicht länger mit der Rolle des unpolitischen Zahlmeisters »um des lieben Friedens willen« (vgl. hierzu bspw. den Bericht des damaligen Staatsekretärs Horst Köhler zum finanziellen Beitrag der Bundesregierung zum Golfkrieg in Höhe von ca. 15 Mrd.), aber unter Außerachtlassung der eigenen Interessen zufrieden geben.
Ob das Freund-Feind-Paradigma das gegenwärtige Vakuum des Unpolitischen auszufüllen vermag, sei dahingestellt. Denn allein die Auseinandersetzung mit dem Schmittschen Politikbegriff ist – unabhängig von seinem Inhalt – in hohem Grade geeignet, Bewegung in die unpolitische Stille der späten Bundesrepublik sowie die grassierende Politikverweigerung zu bringen.
Zu dieser Stille gesellte sich ein Stil, den die große Gemeinschaft von Grünen, Schwarzen und Roten zur Blüte gelangen ließ. Frieden, Ausgleich, Konsens, Solidarität, kurzum: Stillstand urbi et orbi. Dieser Geisteszustand Deutschlands – mit dem Begriff des Mainzelmännchen-Ethos einst von Karl-Heinz Bohrer suggestiv beschrieben – ist nicht nur inhaltlich das Gegenteil von Politik überhaupt, sondern hat auch seine verbalen Ausdrucksformen gefunden. Denn das verbale Kennzeichen der Pygniker in der bundesdeutschen Politik-Kirmes ist das Mittelmaß im sprachlichen Ausdruck, die Unförmigkeit peinlicher Redeversuche und das Fehlen großer Rhetorik. Wer sein Publikum nicht ergreifen will, hat auch nichts Ergreifendes zu sagen. Dabei ist sich die politische Klasse einig: Politik müsse ›menschlich‹ bleiben, und zwar so ›menschlich‹, dass auch in den Höhepunkten der Politik der Gegner als Freund und nicht als das wahrgenommen wird, was er ist.
Wenn man die Legitimität des Schmittschen Politik-Begriffs, seinen Anspruch, Maßstäbe im politisch-analytischen Denken zu setzen, in der Kraft zur Ortung des konträren Machtwillens sieht, so stößt das Schmittsche Kriterium des Politischen und seine Diskussion zur rechten Zeit in das Vakuum des Unpolitischen, welches Deutschland weiterhin erfüllt. Nichts ist den Deutschen mehr wert, als von allen geliebt zu werden und niemanden zum Feinde zu haben. Dafür sind sie bereit zu zahlen (auch die sanktionslose Hinnahme politischer Erpressung durch fremde Staaten – wie durch den Iran nach dem Mykonos-Prozess – wird nicht als hostis-Erklärung geächtet, sondern – wie das Auswärtige Amt mit dem Anspruch auf Diplomatie formuliert – ›heruntergespielt‹). Nicht einmal erklärte Verfassungsfeinde wie ehemalige Stasi-Offiziere und SED-Funktionäre – ganz zu schweigen von den wichtigen Gesprächspartnern der U.S. Geheimdienste in der deutschen Ministerialbürokratie – werden als solche behandelt (so blieben die Gespräche des Leiters des Referates VB 7 (Naher Osten, Schwerpunkt Iran) im Bundeswirtschaftsministerium in den Jahren 1994-1997 mit diversen US Geheimdiensten ohne Sanktion. Vgl. Spiegel 12/1997, Spionage Dinner for two). Denn allein das Wort Feind klingt schon anrüchig in den Augen derjenigen, die sich allen Ernstes eine Welt ohne Feinde wünschen und an sie als ernsthafte politische Perspektive glauben. Ob der Feind, wie Heinrich Meier in seiner pädagogisch-interpretativen Darlegung des Politik-Begriffes von C. Schmitt formulierte (Meier 1988, 80), für Schmitt der Garant des Lebensernstes sei und eine Welt ohne Feinde das Ende der Geschichte überhaupt bedeute, lässt sich nur bei näherer Auseinandersetzung mit den anthropologischen Grundannahmen Schmitts näher untersuchen. Doch unabhängig hiervon steht fest: Die ›Unentrinnbarkeit des Politischen‹ und ihre Bewusstwerdung in Deutschland würde der öffentlichen Diskussion eine neue Qualität geben.
Die Auseinandersetzung mit Carl Schmitts Politikbegriff führt darüber hinaus bereits in ästhetischer Hinsicht zur Entdeckung der Dekadenz des politischen Denkens in Deutschland. Denn die Qualität der politischen Sprache ist stets ein Symptom für das Niveau der Demokratie.
Während die Schmittsche Sprache überwiegend aus der rationalen Kälte funkelt, versucht die herrschende politische Rhetorik stets die Vernebelung des Politischen durch Polit-Talk oder tumbe Sprüche. So postulierte der Spitzenreiter bigotter Rhetorik – Richard von Weizsäcker: »die Deutschen wollen den Euro«. Vom Plauderton der Politiker geht keinerlei politische Spannung aus. Sie ist die sprachliche Seite jener Degradierung der Politik zu politainment, die beinahe schon ein Zeitzeichen geworden ist. Hierzu setzt die Schmittsche Sprache einen Kontrapunkt. Carl Schmitt beherrscht auch in der politikwissenschaftlich-juristischen Abhandlung die Kunst der expressiven Metapher. Der Aufschwung des politischen Denkens in Deutschland bedarf in formal-ästhetischer Hinsicht des Mutes, neue Wege zu beschreiten. Politik, die etwas bewirken will, muss in der Lage sein, Funken zu schlagen. Insofern ist sich Schmitt treu, wenn er das Politische von der Fähigkeit zur Form abhängig macht: »Denn die Fähigkeit zur Form, auf die es ankommt, hat ihren Kern in der Fähigkeit zur Sprache, einer großen Rhetorik. Diese Kraft zum Wort und zur Rede, also Rhetorik im großen Sinne, ist ein Zeichen menschlichen Lebens« (Schmitt 1984, in der Textfassung der 2. Aufl. 1925, 38f.). Manche haben – vielleicht aus Eifersucht – Schmitt vorgeworfen, er habe die rationale Begrifflichkeit durch den Expressionismus der Metapher verdrängt. Rüthers meint gar, bei Schmitt wäre das Denken mystisch-spekulativ verkommen (FAZ vom 28.11.1997).
Dies alles zeigt nur, was die Präsenz von Carl Schmitt im politischen Denken ausmacht. Er ist eben nicht nur Fachwissenschaftler, sondern politischer Autor, der die Sprache mit Kaltblütigkeit zum Hieb auf seine Gegner benutzt. So setzt er politisch-ästhetische Maßstäbe, die offenbaren, was das kraftvolle politische Wort im Gegensatz zur plüschigen Rhetorik des runden Tisches vermag.
Ist es bereits die Wirkung der political correctness eines zunehmend unpolitischen Landes, die dazu verleitet, die Auseinandersetzung mit Carl Schmitt – auf einer Wellenlänge mit dem Zeitgeist – überwiegend personenbezogen aus der Perspektive der Vergangenheitsbewältigung zu führen? Dass gerade Rüthers trotz Auseinandersetzung mit der Ideologieanfälligkeit geistiger Berufe seine Sicht von Carl Schmitt auf das Zeitgeistkriterium ›Wie verhielt er sich während des Dritten Reiches?‹ verengt, ist für einen der distanzierten Rationalität verpflichteten Wissenschaftler schwerlich akzeptabel.
Um mit Schmittscher Schärfe zu replizieren: Ist es für das Urteil über das literarische Genie von Voltaire wichtig, die Niederträchtigkeit seines Charakters, seine Promiskuität, seinen schnorrenden Geiz sowie seine gänzliche Treulosigkeit gegenüber dem preußischen König in Betracht zu ziehen (Kerber 2007, 196ff.)? Oder, um den Hieb anders zu führen: Können wir über die faszinierende Vereinfachung weltgeschichtlicher Betrachtung in dem Paradigma von Land und Meer (Schmitt 31993) deshalb ein besonders gutes Urteil treffen, weil Carl Schmitt diesen Stoff seiner Tochter erzählt hat ? Obschon das Bild des Märchen erzählenden Vaters, für den die lauschende Tochter im wahrsten Sinne des Wortes anima ist, rührt, wird auch Rüthers dieses Dekorum für die Beurteilung des Werkes nicht relevant halten (Rüthers 1990, 109ff.; ebenso Sombart 1991, 295 – die von Rüthers geäußerte Kritik an den Thesen von Carl Schmitt in Land und Meer scheint im Grunde berechtigt).
Die personenbezogene Kritik an Schmitt hindert daran, die inhaltlichen Schwächen des Schmittschen Werkes aufzuspüren und sine ira et studio, ohne Rücksicht auf das Geschrei aus der Schmitt-Gemeinde, gegen sie den Hieb zu führen. Statt sich mit der banalen Feststellung zu begnügen, Schmitt habe nach der Gründung der Bundesrepublik sich mit der Prognose vom Ende jeglicher Staatlichkeit geirrt, wäre es angebracht gewesen, die Verkennung des Ökonomischen durch Schmitt im Lichte der europäischen Nachkriegsgeschichte intensiver Kritik zu unterziehen. In dieser Hinsicht ist sich Schmitt seit seiner Schrift Römischer Katholizismus und politische Form treu geblieben. Wie ein roter Faden durchzieht die Dämonisierung des Ökonomischen seine Gedanken. Ob offene Ökonomiefeindschaft oder Hohn und Spott über den Wirtschaftsbürger, Schmitt zieht alle stilistischen Register, um die Errungenschaften des ökonomischen Liberalismus, wie Mestmäcker formuliert, in den »Orkus des nur noch Politischen« zu werfen (Die Zeit v. 2.8.1991, Mestmäcker 1978, 11f.). Denn »vor der Konsequenz des ökonomischen Denkens sind politische und juristische Form gleich nebensächlich und störend« (Schmitt 1984, 46). In der unverhohlenen Kritik des Ökonomischen liegt stets der Anspruch auf den Primat des Politischen, jenes Politischen, dessen Substanz das Freund-Feind-Verhältnis sei: Das Ökonomische ist also für Schmitt der niederträchtige Rivale des wahrhaft souverän Politischen: »Die hinter den Kulissen ausgeübte Herrschaft des Kapitals ist noch keine Form, sie kann wohl eine bestehende politische Form aushöhlen und zur leeren Fassade machen. Gelingt ihr das, hat sie den Staat restlos ›entpolitisiert‹.« (ebd., 42)
Diese brillant-suggestiven Sentenzen liefern den Unterbau für Schmitts Unverhältnis zum Rechtsstaat. Die Normen des Privatrechts, die die commercial society ordnen, seien nicht politisch und daher störend. Im Umgang mit der Ökonomie führt also der Schmittsche Begriff des Politischen, wie Mestmäcker es nannte, zu einer Ästhetisierung der politischen Macht als Freiheit vom Recht (Mestmäcker 1978, 21°ff.). Dies belegt nicht nur Schmitts prinzipielle Gegnerschaft zum Rechtsstaat, sondern zeugt auch von der Verweigerung, den politischen Charakter der Privatrechtsordnung zur Kenntnis zu nehmen. Immer dort, wo das Primat des Politischen galt – ob in Nazi-Deutschland oder in der DDR –, hat dies zur Herabwürdigung bis hin zur Verunstaltung der Privatrechtsordnung geführt. Wenn es nicht gelingt, das Privatrecht als Grenze und Mittel zur Verwirklichung der dezentralen Wirtschaftsplanung auf hohem Niveau zu etablieren, wird die marktwirtschaftliche Transformation in Osteuropa unvollständig bleiben.
Die Überhöhung des Politischen durch Schmitt fordert – dies ist ein weiteres schweres Manko seines Politikbegriffs – dort ihren Tribut, wo es darum geht, mittels des Rechtes dem Problem der wirtschaftlichen Macht zu Leibe zu rücken. Die Forderung nach dem Primat der Politik vor Recht und Ökonomie (sprich staatlicher Intervention in das Wirtschaftsleben im weitesten Sinne), wird sie erfüllt, steigert das Problem wirtschaftlicher Macht bis zu seiner Unlösbarkeit. Die Verstaatlichung von Unternehmen oder die Einrichtung eines service public in Form von Eigenbetrieben, die Lenkung von unternehmerischen Investitionen wie in der Kommandowirtschaft des Dritten Reiches oder die behutsame Intervention durch Dauersubventionen macht die Kontrolle wirtschaftlicher Macht unmöglich, weil der Staat hier durch seine ökonomische Tätigkeit als politischer Ordnungsfaktor außer Gefecht gesetzt wird. Daher führt die Erfüllung der Forderung nach dem Primat des Politischen gegenüber dem Recht in der Wirtschaftspolitik stets zur politischen Handlungsunfähigkeit des Staates. (Eucken 1952, 72004, 325ff. – Zur Impotenz des unternehmerisch tätigen Staates vgl. Kerber 2006, 161 H.)
Solange der Staat unternehmerisch im weitesten Sinne tätig ist, verliert er seine Kraft zur großen moralischen Dezision. Wenn Carl Schmitt gleichwohl meinte, dass »amerikanische Finanzleute und russische Bolschewisten sich im Kampf für das ökonomische Denken, d.h. im Kampf gegen die Politiker und Juristen verbündeten« (Schmitt 1984, 22), so belegt dies einmal mehr seine Unkenntnis der politischen Ökonomie. Mehr noch: Carl Schmitt ist der Ratio der Ökonomie nicht gewachsen. Er wurde ein Opfer seines antiökonomischen Affekts. Er hat darüber hinaus sogar die Fähigkeit der Marktwirtschaft zum Mythos weitgehend unterschätzt. Der wirtschaftliche Erfolg Deutschlands nach 1948 bis in die 70er Jahre hinein beruhte im Wesentlichen auf der optimalen Rollenverteilung von Politik und Ökonomie, von Staat und Wirtschaft. Diese ordnungspolitischen Fundamente in Verbindung mit dem Primat des Rechtes haben erst die wirtschaftspolitische Handlungsfähigkeit des Staates voll entfaltet und nicht etwa das Ende der Staatlichkeit eingeleitet.
Bei der Beurteilung des Ökonomischen Säbelhiebe ausgeteilt zu haben, die spätestens nach 1945 das ordoliberale Florett unter Hinweis auf den Erfolg der Marktwirtschaft mit Eleganz parieren konnte, bleibt nicht das einzige Manko Schmitts in der Bestimmung des Verhältnisses von Politik und Ökonomie. Der Sieg der rechtlich verfassten freien Marktwirtschaft über die Idee ungebändigter Freiheit des Staates ist mehr als ein zeitlich gebundenes Nachkriegsphänomen. Sie ist der schlagende Beweis dafür, dass das Freund-Feind-Paradigma durch die Ratio der Ökonomie, wenn nicht überwunden, so doch im Zaum gehalten werden kann. Dies hat nichts mit der banalen Formel von C. C. v. Weizsäcker zu tun, Freihandel allein sichere den Frieden, wenn nur der Primat der Ökonomie gegenüber dem Politischen beachtet werde (FAZ vom 15.11.1997, 15). Vielmehr liegt die politische Wirkung der ökonomischen Ratio darin, dass sie primär kein politisches Ziel verfolgt, sondern Erwerbsinteressen dient und daher vor der äußersten Zuspitzung des Politischen in Gestalt des Krieges zurückschreckt, weil eine solche Zuspitzung die eigene wirtschaftliche Existenz gefährden würde. Nichts war irreführender als die kommunistische Theorie, wonach der Faschismus durch eine Verschwörung des Finanzkapitals zustande gekommen sei. Gerade die Machtergreifung durch den Nationalsozialismus zeigt, wie politisch unbedarft – wenn auch zunehmend opportunistisch – die Herren der Wirtschaft mit dem Phänomen Hitler umgegangen sind. Der Kaufmann – mag er noch so wagemutig sein, wird – kaufmännische Logik einmal unterstellt – keine politischen Handlungen gutheißen, die ihn in den wirtschaftlichen Abgrund reißen.
In dieser relativen Bändigung des Politischen kann die heilsame Wirkung des Ökonomischen aber immer dann nur liegen, wenn die Ratio der Ökonomie nicht ihrerseits das Politische meint unterjochen zu müssen. Der vielzitierte Ausspruch Walther Rathenaus, »...dass heute nicht die Politik, sondern die Wirtschaft das Schicksal sei...«, zielte nicht auf die Überlegenheit des Ökonomischen gegenüber der Politik, sondern auf die politische Macht, die in zunehmendem Maße von der industriellen Wirtschaft ausging (ähnlich Meier 1988, 82). Was von diesem Augur als das politische Ferment der Makroökonomie der Industriegesellschaft angesehen wurde, betrifft ebenso den kaufmännischen Mikrokosmos. Ein Kaufmann, der es nicht vermag, Freund und Feind von einander zu unterscheiden und die gegnerischen Intentionen als solche auch wahrzunehmen, wird schlechte Geschäfte machen. Der erfolgreiche Kaufmann muss also gerade im Sinne des Schmittschen Politik-Kriteriums (Freund/Feind) politisch sein, um dauerhaft zu reüssieren. Nur wenn man die potentielle Todfeindschaft als konstitutiv für das Politische ansähe (man könnte in bestimmten Passagen der Politik-Schrift von Schmitt diesen Eindruck gewinnen – vgl. Schmitt, Der Begriff des Politischen, 49 –, wenngleich dies seine eigene Definition des politischen Feindes als hostis, ebd. S.28 – verengen und ihr die Originalität nehmen würde: dann wäre der spezifisch politische Charakter einer Beziehung abhängig von der Gewaltbereitschaft der Akteure; vgl. Arendt 1987, 12ff.), müsste die Mehrzahl der Kaufleute aus der Sphäre des Politischen ausgesondert werden. (Die wirtschaftlich signifikante Minderheit von Geschäftsleuten, die auch vor Gewalt nicht zurückschreckt, entstammt dem organized crime, das auf Grund des Drogenhandels in den letzten 30 Jahren einen atemberaubenden Aufschwung genommen hat. Diese Sphäre der Ökonomie ist auf doppelte Weise besonders politisch. Zum einen durch ihre straffe Organisation, wie sie in der italienischen Mafia die Cupola darstellt, mit der der politische Raum besetzt wird; zum anderen durch ihre gezielte Gewaltbereitschaft sowohl gegenüber Konkurrenten als auch gegenüber Repräsentanten des Staatsapparates wie Ermittlungsrichtern. Die Cupola ist somit die Kumulation von politischer und ökonomischer Macht schlechthin.)
Die Sphären von Politik und Ökonomie stehen in einem besonderen Verhältnis zueinander. Diese wechselseitige Beziehung zwischen den Sphären von Politik und Ökonomie hat auch wissenschaftlich seit einiger Zeit ihren Ausdruck gefunden. So werden politische Institutionen unter Effizienzgesichtspunkten ökonomisch analysiert. Diese Institutionen-Ökonomie – vgl. den Überblick bei Richter, 1994, 23°ff. – gehört freilich zur Politischen Ökonomie und ist daher auch eminent politisch. (Vgl. zu den amerikanischen Grundlegungen dieses Ansatzes: The New Institutional Economics, Eine Zusammenfassung von Artikeln aus "The Journal of Institutional Economics and Theoretical Economics", Tübingen 1991) So ist die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Ausdruck eines politischen Willens zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt – jenem Zeitpunkt, zu dem die Staaten West-Europas nach den Verheerungen des Krieges beschlossen hatten, den Krieg als Mittel der Politik zu verbannen. Die Befriedung der Staaten im Inneren und ihr – wenn auch nicht unbefristeter – Wille zum Gewaltverzicht untereinander öffneten jenes Fenster, durch welches die Idee einer marktmäßigen Interessenverzahnung durch Zollunion und offene Märkte überhaupt erst in das europäische Haus gelangen konnte.
Der von Gutmeinenden vorgebrachte Vorschlag, einen Freihandelsvertrag – vergleichbar mit der EU – zwischen Israel und den arabischen Staaten abzuschließen, um so den Friedensprozess voranzubringen, verkennt den Vorrang des Politischen dort, wo eine Friedens- und Rechtsordnung nicht einmal durch staatliche Gewalt gewährleistet werden kann. Die Macht des Politischen mag dabei auf irrationalen, sprich religiös-ethnischen Motiven beruhen. Dies nimmt ihr nichts von der Kraft, die Ratio der Ökonomie am Boden zu halten. Die Fähigkeit, situationsgebunden die politischen und ökonomischen Parameter und ihren wechselseitigen Einfluss auszutarieren, ist die Voraussetzung erfolgreicher politischer Pragmatik.
Wie konnte ein so scharfsinniger politischer Denker wie Carl Schmitt das Politische im Ökonomischen so aus den Augen verlieren?
Die Schmittsche Befürchtung einer Entpolitisierung Deutschlands hat sich im Ergebnis als zutreffend erwiesen. Diese Entpolitisierung ist aber nicht auf das Kontinuum von Rechtsstaatlichkeit einerseits und die genau austarierte Rollenverteilung zwischen Staat und Wirtschaft andererseits zurückzuführen. Vielmehr bezeichnet Entpolitisierung das Verhalten der überwiegenden Anzahl von Repräsentanten politisch-staatlicher Macht: Ihnen ist gemeinsam, keinerlei Idee zu repräsentieren. Die Macht der politischen Ideen ist – institutionell vermittelt durch das Parteienprivileg – durch die Idee der Macht an sich ersetzt worden. Die Ideenlosigkeit der Wahlkämpfe wurde trotz wachsender Problemlast bis ins Unerträgliche gesteigert. An die Stelle von Ideenwettbewerb sind personalisierte Medienschaukämpfe sich selbst genügender Cliquen getreten, die – nota bene – nur zwischen den vom deutschen Parteienkartell zugelassenen Mitgliedern ausgetragen werden dürfen.
Die Analyse der geistig-politischen Lage der späten Bundesrepublik führt zurück zu Carl Schmitt. Dass der Durchschnittsbürger sich nicht mehr von den politischen Repräsentanten des Staates vertreten fühlt und er sie zunehmend der schieren Ideenlosigkeit bezichtigt, ist ein bemerkenswertes Signum unserer Zeit. Dort, wo die Idee der Repräsentation durch die Ideenlosigkeit der Repräsentanten entweiht wird, ist die Entpolitisierung durch Institutionenverfall schwerlich aufzuhalten.
Erst wenn die Diskussion um Carl Schmitt sich sowohl von ehrfürchtigen Veranstaltungen seiner Verehrergemeinde als auch moralisierenden Kreuzzügen im Stile Bernd Rüthers emanzipiert und mit den Mitteln einer kaltblütigen Analyse den Positionen und Begriffen von Carl Schmitt nachgeht, wird sie dem Niveau der Schmittschen Begriffsprägungen und seiner Kombattanten-Ästhetik intellektuell gerecht. Dies könnte auch die Chance für eine neue Qualität der politischen Debatte jenseits der hypokritischen Merkel-Semantik und der Plaudersprache im Stile eines Dr. Westerwelle in sich bergen.
Würde sich dann endlich ein neuer politischer Atem durch ein Land legen, das, befreit von der Neurose der Vergangenheitsbewältigung, der Zukunft mit dem Mut zum Politischen entgegenblickt? Jedenfalls könnte Deutschland in der Auseinandersetzung mit Carl Schmitt die Ästhetik des Politischen wiederentdecken.
Mit dieser Hoffnung ist keine Antwort auf Böckenfördes Postulat verbunden, Carl Schmitt sei auf dem Wege zum Klassiker. Ob Böckenförde damit Recht bekommt, hängt sicherlich nicht von der Bewertung von Schmitts Rolle im Dritten Reich ab. All den jungen Kritikern, die, wie beispielsweise Andreas Koenen, faktengesättigte Dokumentationen für vorgefasste Urteile vortragen, sei empfohlen, Carl Schmitt zu Wort kommen zu lassen. In einem Rundfunkgespräch im Jahre 1975 hat er über die Gründe seines engagement zwischen 1933 und 1936 unter Hinweis auf eine französische Sentenz geantwortet: »Man engagiert sich und erst dann sieht man, was los ist.« (»On s’engage et puis en voit«, zitiert nach Groh/Figge, 1975, Nr. 2, 89-109)
Ob Carl Schmitt 1933-36 ein engagierter Mitspieler war oder – wofür manches spricht – zeitweise die Rolle eines Spielmachers innehatte, ist hierbei unbeachtlich und würde seiner eventuellen Klassizität ohnehin keinen Abbruch tun. Denn Klassiker wird, wer über die Zeiten hinweg als Maßstab setzend angesehen wird. Gewiss hat Schmitt mit seinen Veröffentlichungen vor 1933 analytische Begriffsbildungen zuwege gebracht, die aus der staatswissenschaftlichen Diskussion nicht wegzudenken sind, wenngleich seine Verkennung des Ökonomischen den Leser perplex lässt.
Ob Carl Schmitt den Rang eines Klassikers erlangen wird, mag die Geschichte beantworten. Aber soviel steht fest: Ihm den Klassikerrang zu verweigern, weil er nicht totalitarismus-immun war, würde den immanenten Maßstab des Klassischen als etwas von Person und Zeit Unabhängigem verkennen.
Dann müsste man die cineastische Originalität des Olympiafilms von Leni Riefenstahl (»Fest der Völker«, »Fest der Schönheit«) allein deshalb verneinen, weil der Film vom Propagandaministerium finanziert wurde. (Die geniale Idee, den olympischen Marathonlauf dadurch zu visualisieren, dass die Beine des japanischen Siegers während der verschiedenen Phasen des Laufes gefilmt werden; um dem Zuschauer auf diese Weise den Atem des Athleten in seiner agonalen Anstrengung spüren zu lassen, würde keine objektiv-ästhetische Würdigung erfahren. Vgl. die Hinweise zum Olympiafilm bei Hilmar Hoffmann, 1993, 104f.) Und Gustav Gründgens müsste die vollendete Schauspielkunst in seiner Mephisto-Rolle schon deshalb abgesprochen werden, weil er sich durch seinen Karrierismus im Dritten Reich persönlich und politisch zwielichtig verhalten hat. (Vgl. hierzu des näheren Heinrich Goertz, 1995, 33, 94, 130; zu erinnern ist insbesondere an die fabelhafte Aufführung 1957 zusammen mit Will Quadflieg und Hermann Schomberg.)
Einfach ist die Antwort gewiss nicht. Schon Walter Benjamin hat berechtigterweise auf die Selbstentfremdung hingewiesen, die darin bestehe, dass ein Volk die eigene Vernichtung als ästhetischen Genuss ersten Ranges erleben darf (Benjamin, 1974, 32°ff.). Kann also der Urheber einer Ästhetisierung der Politik, wie sie der Faschismus betrieb, noch zum Klassiker in seinem Fach erhoben werden?
Die Auseinandersetzung mit dieser Frage ist so schwierig wie die facettenreiche Gestalt von C. Schmitt. Aber sie lohnt und lockt. Denn die Lust am Schwierigen gehört zur Ästhetik des wirklich Politischen.
Literatur
Hannah ARENDT: Macht und Gewalt, München 1987
Walter BENJAMIN: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, kritisch durchgesehene Fassung der Ausgabe von Benjamin, Gesammelte Schriften, Frankfurt 1974, S.32°ff.
Ernst-Wolfgang BÖCKENFÖRDE: »Auf dem Weg zum Klassiker. Carl Schmitt in der Diskussion«, FAZ vom 11.7.1997
Walter EUCKEN: Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 7. Aufl. des 1952 erschienenen Textes, Tübingen 2004
GEULEN/VON DER HEIDEN/LIEBSCH (Hg.): Vom Sinn der Feindschaft, Berlin 2002
Heinrich GOERTZ: Gustav Gründgens, Hamburg 1995
Ruth GROH: Arbeit an der Heillosigkeit der Welt. Zur politisch-theologischen Mythologie und Anthropologie Carl Schmitts, Frankfurt 1998
GROH/FIGGE: Over en in zake Carl Schmitt, Eclectica 5, 1975, Nr. 2
Jürgen HABERMAS: Die Stellung von Carl Schmitt in der deutschen Geistesgeschichte, erstmals veröffentlicht als Besprechung zu Dirk van Laak: Gespräche in der Sicherheit des Schweigens, in: Die Zeit vom 3.12.1993
Hilmar HOFFMANN: Mythos Olympia, Berlin-Weimar 1993
Markus C. KERBER: Recht und Politik, 2006
Markus C. KERBER: Europa ohne Frankreich?, Frankfurt 2007
Andreas KOENEN: Der Fall Carl Schmitt, Darmstadt, 1995
Reinhard MEHRING: Carl Schmitt, Aufstieg und Fall. Eine Biographie, München 2009
Reinhard MEHRING: Pathetisches Denken. Carl Schmitts Katechon am Leitfaden Hegels. Katholische Grundeinstellung und antimarxistische Hegel-Strategie, Berlin 1989
Heinrich MEIER: Carl Schmitt, Leo Strauss und »Der Begriff des Politischen«: Zu einem Dialog unter Abwesenden, Stuttgart 1988
Ernst-Joachim MESTMÄCKER: Die Zeit, 2.8.1991
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–ders.: Carl Schmitt im Dritten Reich. Wissenschaft der Zeitgeistverstärkung, München 1990
–ders.: Carl Schmitt – Kronjurist des Dritten Reichs, München 1990
–ders.: Entartetes Recht, Rechtslehren und Kronjuristen im Dritten Reich, 2. Aufl., München 1989
–ders.: FAZ v. 28.11.1997, S. 14 "Retter vor dem Antichrist – Carl Schmitt als politischer Theologe".
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Carl SCHMITT: Römischer Katholizismus und politische Form, Stuttgart 1984, in der Textfassung der 2. Aufl. 1925, München
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Nikolaus SOMBART: Die deutschen Männer und ihre Feinde, Carl Schmitt – ein deutsches Schicksal zwischen Männerbund und Matriarchatsmythos, München 1991
Pierre-André TAGUIEFF: Julien Freund. Au coeur du politique, Paris 2008
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C. C. v. WEIZSÄCKER: FAZ vom 15.11.1997, S. 15: »Der Freihandel als Friedensstifter – Die Forderung nach einem Primat der Politik ist reaktionär«
Rudolf RICHTER: Institutionen ökonomisch analysiert – Zur jüngeren Entwicklung auf einem Gebiet der Wirtschaftstheorie, Tübingen 1994