Auf einer Ringelmauer aus Hahnenköpfen, dies ist bloß eine spitzere Art von Katzenköpfen, erhebt sich ein mäßig steigendes, ja eigentlich flach springendes Pferd. Vom Hinterteil ab schwebt ein Stab als Stütze, und ein kleiner abnehmender Mond zeigt sich neben ihm. Aber auf seinem Rücken lastet ein rätselhaftes Gestell, das wohl am meisten die Hinterbeine beschwert und zugleich den Betrachter verwirren muß. Nämlich nach vorne, zum Hals des Pferdes hin, nimmt es eine flammende Form an, die sich als Blatt mit einer Schnecke geschwungen nach oben erhebt, dann zurückfällt und so in unberechenbarem Schwung einer explodierenden Pflanze gleicht. Die Stachelmähne des Pferdes strebt dieser Erscheinung entgegen und gibt ihr immerhin soviel Festigkeit, daß die Explosion darin erstarrt. Dies rettet wahrscheinlich das Pferd und zeigt uns die Schwanenhalsphantasien der alten Barden in schöner und neuer Weise. Jedenfalls entwickelt sich dieses Zeichen auch noch ein zweites Mal und sogar viel kräftiger. Es gleicht nun fast, als Gehörn eines auf die Seite geworfenen Steinbocks, dem Hals eines Kranichs. Auch dieser berührt im Drang der Gebilde auf engem Raum natürlich zugleich das seltsame Blatt, befindet sich aber, entsprechend der Länge des Pferderückens, nun fast auf der Kruppe. Wenn es nun aber je in so frühen Zeiten eine Klistierspritze gegeben hat, so kann man sie hier an diesem Horn, als Stab und Ziehgriff, wahrscheinlich wiederfinden. Allerdings zugleich auch als leichtes Schwert mit übergroßem Posaunenfortsatz. Es könnte in Richtung auf Feinde, über den Hals des Pferdes hinweg, gleichsam als Kriegsgeschrei, einen höllischen Lärm machen, wenn etwa an diesem Schwertgriff gezogen würde. Man könnte dies leicht für einen apokalyptischen Ausdruck prachtbegieriger Krieger halten und ebenfalls auch für Schwanenhalsphantasien kriegsmächtiger Barden.
Gewaltig in Richtung des fortstrebenden Schwanzes jedoch fliegt der geriffelte Griff eines Vorderladers. Er würde, wenn er losginge, dem Gaul den Garaus machen, falls sich hier nicht in bekannter Einfalt des Raumgefühls die Fläche als viel zu begrenzt erwiese. Denn wer weiß, wie dick dieses Streitross in Wirklichkeit war. Wenn es nämlich, wie gar nicht anders zu vermuten, einen dicken, gewölbten Körper besaß, so schoß und donnerte es nach links und rechts weit in die Felder hinaus, und die Posaune schmetterte über den Kopf des Pferdes hinweg in die mystische Gegend.
Ein Waffengeklapper und Posaunieren, eine Schreckensmythologie auf drei Hufen und selbst unter dem Bauch noch ein gröhlendes Schwert. All dieser Lärm nähme jedoch zugleich, dies ist kaum zu leugnen, von der ehernen Vernunft des Krieges, durchaus im Sinne der Barden, den allzu bitteren Ernst. Kein Entwurf Leonardos zeigt hier seine neunmal gerissene Mordlust, sondern der farbige Geist einer Zirkuswerkstatt plus Rubens in all seiner Macht (»Svelature, trenta o quaranta«).
Also ein römischer Hauptmann der stoischen Schule hätte jedenfalls beim Anblick eines solchen Schlachtrosses bloß in sich hinein gelacht und auf sein Schwert geblickt. Aber... wenn nun etwa dreißig oder vierzig davon herangetrabt kämen, so hätten sich Donnerhall und Kirmesmusik pathetisch und silbern, spitz und gehörnt, zur Höhe der Bachschen Orgelkantaten gesteigert und der griechische Lehrer und Philosoph des Hauptmanns hätte vielleicht ganz ergriffen Beifall geklatscht, bis ihm und seinem Herrn , der nun auch zu klatschen begonnen hätte, die Köpfe von den Schultern gerollt wären. Von all dem konnten wir hier nur ein schwaches, papierenes Beispiel geben. Allerdings ist es genaugenommen noch nicht ganz vollständig, und auf die Gefahr, die bisherige Wirkung ein wenig zu schmälern, müssen wir noch eine Schnur, ein elektrisches Kabel erwähnen, das unzeitgemäß auf eine viel spätere Prophetie mit Glühbirnen hinweist. Vor den Hufen aufsteigend erhebt es sich gleich einem Band der empfindsamen Zeit, verschlungen als Schleife einer blonden Luise, und leuchtet als Strahl der petit-raison so grell in die keltischen Augen des Pferdes, daß es später außerhalb seines magischen Kreises unbedingt stolpern muß.
Ja, ich möchte sagen, es muß wie erblindet ganz unbedingt stolpern.

Paul Mersmann
Paul Mersmann

Maler, Bildhauer, Schriftsteller