Aorta: Frontbild

Es spitzt sich wieder etwas zu, und das besonders in Deutschland. Erleben wir erneut eine Renaissance des Totalitären? 30 Jahre nach der ersten Revolution, die zumindest den Mitteldeutschen gelungen war, sogar in einer völlig unerwarteten und neuen Qualität, nämlich in einer friedlichen Revolution? Waren wir Deutschen denn nicht am Tag nach dem Mauerfall vom 9. November 1989 »das glücklichste Volk der Welt«, wie es der stets rotbeschalte Regierende SPD-Bürgermeister von Berlin-West, Walter Momper, damals in die Mikrofone rief?

Natürlich war das eine Übertreibung, denn wie sollten die ehemaligen Profiteure und deren Handlanger über den Sturz oder Zusammenbruch ihres »ersten Arbeiter-und-Bauer-Staates auf deutschem Boden« glücklich sein? Und nicht nur das. Der ganze Ostblock mit der Hauptstadt Moskau brach in sich zusammen. Die linke ›Intelligenzija‹ des Westens war entsetzt. Wer wollte denn von denen noch die Wiedervereinigung? Momper, Oskar Lafontaine, Nobelpreisträger Günter Grass, Willy Brandt und sein ehemaliger Staatssekretär und persönlicher Freund Egon Bahr wollten sie, wie die meisten anderen Sozialdemokraten, nicht – jedenfalls nicht jetzt. Noch im Spätherbst 1988 bezeichnete Bahr die Forderungen nach der Wiedervereinigung als »politische Umweltverschmutzung«. Fünf Tage nach dem Fall der Mauer nannte er es eine »Lebenslüge, über Wiedervereinigung zu reden«. Brandt sagte im September 1988 in einem Vortrag der Friedrich-Ebert-Stiftung: »Durch den Kalten Krieg und seine Nachwirkungen ist die Hoffnung auf Wiedervereinigung geradezu zu einer spezifischen Lebenslüge der 2. Republik geworden«. Nur sein nachträglicher Satz, als die Einheit nicht mehr zu verhindern war, hat sich ins Gedächtnis der Nation eingebrannt: »Es wächst zusammen, was zusammengehört«.

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In diesem Stil der verwirrenden Widersprüche stolperten zumeist ideologisch vernagelte Politiker in die ungewollte, aber von den demonstrierenden Massen vor allem in Leipzig, Dresden und Plauen erzwungene Einheit Deutschlands. Wobei nicht vergessen werden darf, dass die meisten durchaus mutigen Bürgerrechtler, die später mit Orden und Ehrenzeichen dekoriert wurden, anfangs weder die Wiedervereinigung noch die Abschaffung des Sozialismus anstrebten. Sie wollten ihn lediglich im Sinne Rudolf Bahros oder Robert Havemanns reformieren. Doch solche Halbheiten bilden in brenzligen Situationen oft eine Brücke zwischen den Extremen und können dadurch eine gewaltsame Eskalation verhindern.

Axel C. Springer, der Feind aller fortschrittlichen Intellektuellen des Westens, verlegte nach dem Bau der Mauer sein Verlagshaus von Hamburg nach Berlin-West direkt an die Mauer und sendete per Leuchtschrift seine Nachrichten in den Osten Berlins, so dass die SED-Regierung sich veranlasst sah, an der Leipziger Straße Hochhäuser zu bauen, deren Wohnungen nach dem Westen nur von Parteifunktionären und Stasi-Offizieren bewohnt werden durften. Schon ab 1968 galt als kalter Krieger, Nationalist oder bestenfalls Spaßvogel, wer gegen die deutsche Teilung wetterte und an die Wiedervereinigung glaubte. Axel Springer, der das verkörperte, wurde deshalb als ›der Brandenburger Tor‹ verspottet. Linke und Liberale bekamen sich kaum noch ein.

Ab 1970 galt das Schlagwort von der Anerkennung der Realitäten und charakterisierte die neue Ostpolitik von SPD-Kanzler Willy Brandt. Darauf Springer: »Auch Rauschgifthandel ist eine Realität«. Eine Weisung in seinem Haus lautete: »Die Einheit des Vaterlandes in Freiheit – das ist unser Auftrag.«

Sozialdemokraten und Freie Demokraten, Deutschlands neue herrschende Klasse samt ihrer auflagenstärksten Medien wie Spiegel, Stern und Zeit, aber auch viele Professoren, Publizisten und Schriftsteller fühlten sich solchen einfältigen Visionen überlegen. Das sei Schnee von gestern, versuchten die Volkserzieher dem Volke einzureden. Sie kannten ja mit Marx den Lauf der Weltgeschichte. Der Sozialismus war in ihren Augen die unbesiegbare Kraft der Zukunft. Ihnen konnte man nur mit Hayek schnippisch entgegnen: »Sozialismus ist nie ein bisschen richtig, sondern immer ganz falsch!« Der spätere Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass warnte eindringlich: »Bei einer Wiedervereinigung wären die Deutschen bald wieder zum Fürchten.« Der bundesdeutsche Leiter der Ständigen Vertretung in Ost-Berlin, Günter Gaus, prophezeite kühn: »Die DDR wird genauso lange existieren wie die Bundesrepublik.« Der damalige SPD-Politiker Oskar Lafontaine, der den Austritt aus der Nato forderte, traf sich mit dem SED-Generalsekretär Erich Honecker öfter als jeder andere westdeutsche Politiker – außer dem DKP-Chef Mies. 1985 sprach sich Lafontaine für eine Anerkennung der Staatsbürgerschaft der ›DDR‹ aus. Im selben Jahr beendete das Saarland als einziges Bundesland seine Zahlungen an die bis dahin von allen Bundesländern gemeinsame getragene Zentrale Erfassungsstelle der Landesjustizverwaltungen, die Menschenrechtsverletzungen in der ›DDR‹ dokumentierte. Alle weiteren von der SPD regierten Bundesländer folgten dem, denn es sei ein »Relikt des Kalten Krieges«, so der spätere Bundeskanzler Gerhard Schröder.

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Der Zeit-Journalist Theo Sommer sekundierte, als schon jeder Sensible das Ende der SED-Diktatur erahnen konnte: »Die Bürger des anderen deutschen Staates bringen ihm (Honecker) fast so etwas wie stille Verehrung entgegen«. Diesem Blödsinn setzte Axel Springer mit Kurt Schumacher die simple Tatsache entgegen, dass Kommunisten überall, wo sie an die Macht gelangten, sich als ›rotlackierte Nazis‹ entlarvten. Nicht nur für den Verleger Springer war der SED-Staat ein Verbrecherregime, sondern auch für dessen Widerständler und Opfer, denen Springer gern Chancen in seinem Verlag einräumte, darunter Günter Zehm, Ulrich Schacht, Lutz-Peter Naumann oder der Perser Hossein Yazdi, der 16 Jahre als politischer Häftling einsaß und dann 36 Jahre für Springer als Journalist arbeitete. Jeder, der dort als Journalist arbeiten wollte, musste folgende vier Punkte unterschreiben:

  1. Das unbedingte Eintreten für die friedliche Wiederherstellung der Deutschen Einheit in Freiheit.

  2. Das Herbeiführen einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen, hierzu gehört auch die Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes.

  3. Die Ablehnung jeglicher Art von politischem Totalitarismus.

  4. Die Verteidigung der freien sozialen Marktwirtschaft.

In der Springer-Zeitschrift Kontinent, in der vor allem die osteuropäischen Dissidenten zu Wort kamen, prophezeite Springer 1977: »Wenn es gelingt, die Völker Osteuropas, einschließlich der Sowjetunion, gegen die Lüge der Gewalthaber immun zu machen, indem wir die Wahrheit als Elixier der Freiheit auf allen Wegen über Mauern und durch Zäune schaffen, dann bereiten wir jene Revolution des Geistes vor, die noch immer die Lüge außer Kraft gesetzt und Diktatoren, Gewaltregime und Unterdrücker gestürzt hat. Das klingt heute wie ein Märchen. Ist es nur ein Märchen? Es gab einmal einen Mann namens Theodor Herzl. In scheinbar aussichtsloser Lage versprach er den Juden einen Staat, auf den sie seit 2000 Jahren tagtäglich – vergeblich – hofften. Herzl hämmerte den Juden ein: ›Wenn ihr es wollt, ist es kein Märchen.‹ Das heißt für uns: Wenn wir nur wollen, wenn wir alles wagen, dann ist die Freiheit kein Märchen. In Deutschland nicht. In Polen nicht. In Ungarn, Rumänien, der Tschechoslowakei und den baltischen Staaten nicht. Und nicht in Russland.«

Schade, dass Springer, der 1985 verstarb, nicht mehr auf Erden erleben durfte, was er vorausgesehen hatte. Auch Matthias Walden und Franz Joseph Strauß hätte ich das sehr gegönnt.

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In Osteuropa hat der Marxismus in seinen verschiedenen Auslegungen faktisch ausgedient, denn mit den marxistischen Altkadern, die noch überdurchschnittlich in allen möglichen Verwaltungen unterkamen, sogar in der Stasi-Unterlagen-Behörde, stirbt er nun größtenteils ab. Doch an westeuropäischen und amerikanischen Hochschulen erfreut sich der Marxismus steigender Beliebtheit. Der westliche ›Gutmensch‹, vor allem in seiner Extremform als ›Bessermensch‹, verharmlost nicht nur die aus dem Islam drohende politische Gefahr, sondern wird – bewusst oder unbewusst – zu ihrem Werkzeug. Was beide verbindet, ist die totalitäre Deutungshoheit mit dem daran anknüpfenden Herrschaftsanspruch. Geist- und gefühlsverwirrte Gefälligkeitskünstler und ebensolche Politiker und Wissenschaftler haben ausgerechnet den SED-Juristen Gregor Gysi mit zum Festredner des 30. Jahrestages der friedlichen Revolution in der ehemaligen ›Heldenstadt‹ Leipzig auserkoren, also jenen Mann, der die totalitäre SED und deren Vermögen gerettet hat, obwohl diese Partei verboten gehört hätte, wie 30 Jahre zu spät Theo Waigel, der ehemalige Spitzenfunktionär und spätere Ehrenvorsitzende der CSU, selbstkritisch zugab.

Warum konnte niemand der Bundeskanzlerin Einhalt gebieten? Würde man die völlig gegensätzlichen Aussagen der ersten deutschen Bundeskanzlerin aneinanderreihen, dann käme eine lange Litanei zustande. Im Oktober 2000 erklärt sie, dass »die multikulturelle Gesellschaft keine lebensfähige Form des Zusammenlebens ist, und das glaube ich auch.« 2004 tritt sie entschlossen vorm Bundestag für die »Steuerung und Begrenzung von Zuwanderung« ein. Noch 2010 beteuert sie, dass der »Ansatz Multikulti … absolut gescheitert« sei. Fünf Jahre später lässt sie gegen sämtliche Vernunft und bestehende Gesetze, ohne den Willen des Souveräns einzuholen, 1,5 Millionen unterschiedslos als Flüchtlinge deklarierte Einwanderer, überwiegend junge Männer ohne Pass, aber mit modernen Handys ausgestattet, ins Land und in die deutschen Sozialsysteme strömen. Schlepperbanden machen riesige Geschäfte, Tausende ertrinken im Mittelmeer. Plötzlich werden Milliarden Euros locker gemacht, obwohl für die maroden Schulen, Straßen, Brücken, für die Wohnungsnot und Aufstockung erbärmlicher Renten bisher keine Gelder übrig waren.

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Merkels politische Linie besteht darin, sich opportunistisch jedem anzubiedern, möglichst wenig zu ändern, denn eigene Ziele oder Entscheidungen zu vertreten hat sie kein Talent. Ihr Leitmotiv ist unter Politikern nur allzu bekannt: »Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.« Aber eines beherrscht sie bestens: in fast jede Aussage eine Einschränkung einzubauen, die es möglich macht, bei Bedarf genau die gegenseitige Position vertreten zu können. Katastrophal wird es, wenn grundsätzliche Entscheidungen verlangt werden, die nicht mit einer pro-forma-Konzession an Gegner in der Koalition zu bewältigen sind. Zunehmend verstärkt sich bei vielen verantwortlich denkenden Menschen der Eindruck, in Absurdistan zu leben oder gar in einem Irrenhaus, dessen Ärzte sich anschicken, sich einem neuen Totalitarismus zu ergeben, solange er als Religion daherkommt. Damit das nicht so auffällt, wird nach den folgenlos verpufften Waldsterben- und Ozonloch-Katastrophen-Vorhersagen ein CO2-Gespenst aufgeblasen, um wieder einmal die Welt zu retten und natürlich die Zukunft unserer Kinder, die sich dafür mit einem Schulmädchen an der Spitze den Freitag zum Schulstreiktag »erkämpft« haben.

Wenn Menschen, die sich dem Allgemeinwohl verpflichtet fühlen und politische Ämter anstreben, nicht mehr prinzipiell denken und damit auch keinen Überblick über allgemeine Zusammenhänge erlangen, dann ist es kein Wunder, dass sie Wesentliches nicht mehr von Unwesentlichem unterscheiden können. Sie wollen populär sein, um die mildeste Variante anzunehmen, und stempeln zugleich selber jeden Kritiker als Populisten ab. Unter solchen konturlos-unberechenbaren Regenten bildet sich immer auch eine konturlose Mehrheit von verschiedensten Mitläufern, die sich wie in jeder Diktatur rasch und billig auf Schlag-Worte einigen, mit denen nicht nur drohend herumgefuchtelt, sondern auch kräftig zugeschlagen wird. Das erhöht das Selbstwertgefühl minderwertiger Kreaturen, die nun im Herdengefühl unter jeder dummen Kuh den Kampf ausrufen, in allererster Linie natürlich ›gegen Rechts‹, deren extremen Vertreter dadurch wiederum zum Gegenterror animiert werden:

»Ob friedlich oder militant – wichtig ist der Widerstand!«,

»Ob Ost, Ob West – nieder mit der Nazipest!«,

»Nazis gibts in jeder Stadt – bildet Banden macht sie platt!«,

»Grenzen von der Karte streichen – Staaten müssen Menschen weichen!«,

»Die Bullen üben fleißig für ein neues dreiunddreißig!«,

»Gegen das Konstrukt aus Rasse und Nation – Für die soziale Revolution!«,

»Lasst es krachen, lasst es knallen, Deutschland in den Rücken fallen!«,

»Kapitalismus, scheiße wie noch nie! Für den Kommunismus und die Anarchie!«,

»Kein Gott, kein Staat, kein Vaterland – Schwarz, Rot, Gold wird abgebrannt!«,

»Ich war, ich bin, ich werde sein – Die Revolution wird die Menschheit befreien!«...

»Erst kommt das Essen, dann kommt die Moral – Wohlstand für alle – Kampf dem Kapital!«

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Nach der Auflösung der Roten Armee Fraktion (RAF) verschob sich die Aufmerksamkeit auf das Gefahrenpotenzial des braunen (NSU-Morde und Politikermord) und des fundamental-islamischen Terrors. Brandanschläge auf die Stromversorgung, zerstörte Bahngleise, krankenhausreif geprügelte Politiker, Angriffe auf Polizisten und Rettungskräfte, Ehrenmorde, Messerattacken, Vergewaltigungen, Erpressungen, Sprengungen von Geldautomaten und dergleichen mehr überlasten Polizei und Justizsystem. Währenddessen werden die zunehmenden Übergriffe aus dem linksextremen Spektrum verharmlost und sind demzufolge kaum erforscht – nicht zu reden von den sich ausbreitenden Gangster-Clans nahöstlicher Herkunft.

Klaus Schroeder, der an FU Berlin über Linksextremismus forscht, wies nach, dass sich im Jahr 2017 1200 Gewalttaten von rechts fast doppelt so vielen Ausschreitungen von links gegenüberstanden. Von unseren Erziehungsmedien wird das genau andersherum dargestellt. Eine riesige Lobby-Gruppe verdient sich im bewusst einseitig geführten ›Kampf gegen rechts‹ eine goldene Nase. Im demokratischen Staat, für den ich mich einsetze wie jeder andere Konservative auch, müsste ein unnachsichtiger Kampf gegen alle Extremisten geführt werden, die kriminell, also revolutionär mit Terror und Gewalt den vernünftigen Ordnungsrahmen unseres Grundgesetzes bewusst zerstören oder außer Kraft setzen wollen.

Natürlich bin ich mir dessen bewusst, dass die Demokratie immer nur eine zum Durchschnitt neigende Diktatur der Mehrheit wäre, wenn ... ja, wenn es keinen Verfassungsrahmen gäbe, der den Ordnungsrahmen aller Freiheiten bildet, damit keine Willkür oder Anarchie, also das primitive Recht des Stärkeren und Reichen herrscht. Freiheit ohne Disziplin und Verantwortung führt ins Chaos und bereitet Terror vor. Es lässt sich auch verkürzt sagen: Chaos neigt dem weiblichen Wesen zu, Ordnung dem männlichen. Das provoziert und: soll es auch! Es besteht durchaus die berechtigte Frage, ob vielleicht nicht erst das Chaos das Denken nährt.

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Wer sich als gemäßigter Linker nicht vom Kulturmarxismus abgrenzt, will die Grundlagen der westlichen Welt, die sich sowohl durch Freiheit als auch durch Wohlstand charakterisiert, unterminieren. Linke Utopisten laufen gegen jedes machbare System an, das irgendetwas mit Kapitalismus oder Marktwirtschaft zu tun hat. Was bleibt übrig, wenn die soziale Marktwirtschaft abgeschafft wird? Planwirtschaft, Diktatur der Bürokratie und ideologischer Machtterror. Das heißt, Armut, Zerstörung der Umwelt, der Kultur und Tradition. Was blüht stattdessen auf? Angst, Misstrauen, Ideologie und Verlogenheit. Viele in Mitteldeutschland dachten, dass hätten sie endlich hinter sich. Die Bürokratie hat hier und heute schon jede Dimension einer Diktatur überflügelt. Der freie Meinungsstreit wird – besonders in den Medien, die sich von unseren Zwangsgebühren mästen – so eingeschränkt, dass der Weg zum Meinungsterror geebnet erscheint. Was folgt? Ein Bankencrash? Stromausfälle, überbordende Kriminalität? Das Abrutschen in die Dritte Welt? Dorthin, wo unser Bildungssystem fast schon gelandet ist? Marxismus ist alternativlos. Da hat Frau Dr. Merkel völlig recht. Opportunisten haben immer recht. Schlauheit bleibt dreist im Lande, Intelligenz wandert aus.

Keine Diktatur mit Planwirtschaft konnte bisher wirtschaftlich überleben. Nur die Despotie blüht in verschiedenen Größen wie Unkraut in solchen Ländern. Individualismus ist jedem Kollektivismus haushoch überlegen. Ausnahmen waren Pinochets Diktatur und neuerdings diejenige Chinas oder die der feudalistischen Ölscheichmilliardäre, die sich mithilfe der besten Ingenieure, Architekten, Künstler und Wissenschaftler aus dem Westen Huxleys »Schöne neue Welt« in die Wüste bauen lassen. Wer schon einmal Dubai besucht hat, der sieht, wie uns heute undemokratische, totalitär strukturierte Feudalsysteme mit unseren eigenen Waffen schlagen und zeigen, wie wir mit unserer verkommenen Bürokraten-Demokratie immer weiter zurückfallen, gewissermaßen abgehängt werden. So entstehen in jahrelanger Verspätung die teuersten Philharmonien oder Flugplätze der Welt auf niedrigem Niveau. Die Bundeswehr ist zur Lachnummer verkommen. Seit dem Zusammenbruch des Ostblocks vor 30 Jahren bedroht mehr und mehr die neomarxistische »political correctness« die größte Errungenschaft der westlichen Zivilisation: die Gedanken- und Redefreiheit.

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Friedrich Nietzsche wies 1878 unter der Überschrift Der Sozialismus in Hinsicht auf seine Mittel darauf hin, dass der Sozialismus der jüngere Bruder des fast abgelebten Despotismus sei, den er beerben wolle. Er brauche eine Fülle an Staatsgewalt und strebe die Vernichtung des Individuums an. Der erwünschte Gewaltstaat brauche die untertänigste Niederwerfung aller Bürger und könne sich nur durch äußersten Terrorismus Hoffnung auf Existenz machen. Er bereite sich im Stillen auf eine Schreckensherrschaft vor und verwende missbräuchlich den Begriff der Gerechtigkeit. Der Sozialismus lehre lediglich die Gefahr der Anhäufung von Staatsgewalt und werde den Ruf nach so wenig Staat wie möglich provozieren.

Karl Poppers ›offene Gesellschaft‹ steht bekanntlich in der Tradition des Liberalismus und gilt Marxisten als reaktionär, weil sie die kritischen Fähigkeiten der Bürger freisetzen will. Dazu soll auch noch die Gewalt des Staates geteilt werden, um Machtmissbrauch vorzubeugen. Wo käme man denn da hin, wenn man doch mit den Geschichtsgesetzen von Marx immer weiß, wo es langgeht? Da die Marxisten es zu wissen vorgeben, sollten wir ihre Ersatzreligion durchaus ernst nehmen, aber zugleich wissen, dass die Marx-Exegese und die Fundamentalkritik der »bürgerlicher Wissenschaft« begleitet war von einem gesellschaftlichen Bedeutungsverlust der Geisteswissenschaften. Gleichheit, Gleichheit über alles, über alles in der Welt. Immer wieder soll am nichtdeutschen Wesen die Welt genesen. Wer kann das so ausdauernd genießen?

Wie heißt es im Psalm 18? Auf die heutige Zeit übertragen möchte ich es so aussprechen:

»Es ist besser, Gott zu vertrauen als sich auf Menschen zu verlassen. Es ist besser Gott zu trauen als sich auf Politiker zu verlassen. Viele Parteien hatten mich umringt. Im Namen Gottes – ja, ich wehrte sie ab. Sie hatte mich umringt, ja, mich eingeschlossen. Im Namen Gottes – ja, ich wehrte sie ab. Die Stasi-Knechte hatten mich umringt wie Bienen. Sie sind erloschen wie Dornenfeuer. Im Namen Gottes – ja, ich wehrte sie ab. Hart hat man mich gestoßen, um mich zu Fall zu bringen.«

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Und? Ich lebe noch – gesund und flexibel. Selbst mein Dreivierteljahrhundert sehen mir nur wenige an. Dass ich selber kein Parteien-Mensch bin, erfuhr ich erst, nachdem ich zweimal in den 80er und 90er Jahren der Berliner FDP beigetreten war, in deren Parteinamen mich das Attribut ›frei‹ faszinierte, aber vor allem, um den nationalliberalen Flügel um Alexander von Stahl, Hermann Oxfort, Heiner Kappel, Rainer Zitelmann und Klaus Rainer Röhl zu stärken. Ja, Röhl, der ehemalige linke Journalist und konkret-Herausgeber hatte sich ebenfalls gewandelt und publiziert nun selbst als hochbetagter Mann in so genannten ›rechten‹ Zeitungen, um über die »tiefgreifenden, zum Teil verheerenden Folgen der kommunistischen und links-utopischen Aktivitäten«, an denen er selber einst »als Herausgeber und Kommentator beteiligt gewesen war«, aufzuklären.

Ansonsten interessiert mich Macht- und Parteienpolitik kaum. Mir geht es vor allem um Erkenntnisse, die nicht immer leicht zu verdauen sind. Dazu muss der Mut aufgebracht werden, auch mit Menschen, die einem unsympathisch sind, oder mit politischen Gegnern oder sogar Feinden zu diskutieren. Vor dem Entscheiden kommt das Verstehenwollen, das Infragestellen eigener Klischees und Gewohnheiten, das Abwägen gegensätzlicher Auffassungen. Das kann durchaus zu neuen Kompromissen führen, auf alle Fälle zu einer begründeten Positionierung.

Meine Vorbilder sehe ich nach meiner Abkehr vom Marxismus vor allem in den Ordoliberalen. Ihre Position verkörpert die »zivilisierte Marktwirtschaft« gegenüber dem Neoliberalismus als einer Position der »totalen Marktwirtschaft«. Funktioniert die ›soziale Marktwirtschaft‹ – dieser Begriff setzte sich schließlich durch – dann bedarf es kaum noch einer Sozialpolitik, die heutzutage aber völlig im Vordergrund steht und vor allem Bequemlichkeit, ja sogar Faulheit und Betrug fördert auf Kosten derer, die als Steuerzahler immer mehr geschröpft werden. Da selbst die Banken von Politikern und verbeamteten Bürokraten bevormundet werden, also die marktwirtschaftliche Grund-sätze ausgeschaltet worden sind, ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann diese Planwirtschaft jämmerlich zusammenbricht.

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Eines meiner verehrten Vorbilder neben Friedrich August von Hayek (1899-1992) ist Wilhelm Röpke (1899-1966), der als deutscher Sozialphilosoph und Ökonom zu den geistigen Vätern der erfolgreichen ›sozialen Marktwirtschaft‹ zu rechnen ist. Er musste Deutschland sofort verlassen, als Hitler die Macht ergriff. Er lehrte dann in Istanbul und lernte dort den Islam kennen, den er ebenso wie die roten und braunen Sozialismusformen konsequent ablehnte. Hier ein bezeichnendes Zitat von ihm:

»Wenn der Liberalismus daher die Demokratie fordert, so nur unter der Voraussetzung, dass sie mit Begrenzungen und Sicherungen ausgestattet wird, die dafür sorgen, dass der Liberalismus nicht von der Demokratie verschlungen wird.«

 

 

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