Mit dem Jahrgang 2020 endet die Folge der Beiträge zum kulturwissenschaftlichen Jahrbuch Iablis. Selbstverständlich bleiben alle Beiträge im Netz verfügbar. Die Abteilungen Acta litterarum und Grabbeau sind weiterhin für neue Beiträge offen. In freier publizistischer Form setzt das seit 2022 von den Iablis-Herausgebern geführte Magazin Globkult die Arbeit von Iablis fort.
Die Herausgeber danken allen Beiträgern und Lesern, die während zweier Jahrzehnte Iablis zu einem angesehenen Wissenschaftsportal haben werden lassen. Mag sein, einige der hier in den vergangenen Jahren veröffentlichten Beiträge haben, was Aktualität und Hellsichtigkeit angeht, ihre Zukunft noch vor sich. Der beispiellose und nicht vorhersehbare Absturz der Kulturwissenschaften in der Wahrnehmung (und Wertschätzung) der Öffentlichkeit wäre vielleicht sanfter ausgefallen, hätten sich ein paar ihrer Vertreter dazu bequemt, rechtzeitig ihre zur Routine erstarrten Praktiken zu revidieren. Zur Wissenschaft gehört auch zu erkennen, wann die Säulenheiligen der eigenen Zunft ein Teil des Problems werden.
Die Wiederkehr der Untoten – so ließe sich das mittlerweile angebrochene Jahrzehnt mit seinen Selbstzensur- und Cancel-culture-Praktiken, seinen Primitivmarxismen, seiner als fanatische Wissenschaftsgläubigkeit maskierten Geringschätzung wissenschaftlicher Ergebnisse und Fragestellungen, seiner erstaunlichen Tabu-Seligkeit und einem die verschiedensten Lebensbereiche mit Stressmarkern überziehenden Manichäismus charakterisieren. Keine ganz neuen Themen für Iablis-Leser, könnte man nicht ohne Selbstlob anmerken. Unterschiedliche Zeiten erfordern unterschiedliche Herangehensweisen – … noch leben wir.
Berlin, im Sommer 2022
Die Herausgeber
Ich war von 1990 bis 2020 genau 30 Jahre lang Hochschullehrer, zunächst sieben Jahre bei der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung und dann 23 Jahre hier an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen. Zuvor hatte ich in sieben Assistentenjahren das Glück, zwei mich nachhaltig prägenden Lehrern zu begegnen: meinem verehrten Doktorvater Karl Dietrich Bracher in Bonn und später dem viel zu früh verstorbenen Klaus von Schubert in Heidelberg. Beide Professoren haben nicht nur Bücher geschrieben, sondern sie standen mit ihrer ganzen Person für ihre Gedanken ein.
In 1984 beschreibt Orwell, dass die Verteilung von Macht in allen Gesellschaften stets drei Schichten erzeugt: Die Herrscherschicht (weniger als ein Hundertstel), die Trägerschicht (etwa 10-15 Prozent) und die Schicht der Beherrschten (85-90 Prozent). Mit Gesellschaften sind dabei alle Staaten seit der Urbanisierung der Menschheit mit Einführung der Schrift gemeint, also die historische Existenz [24]. Selbstverständlich wird diese Abschätzung in seinem literarischen Werk nicht empirisch belegt, doch dürfte Orwell quantitativ und qualitativ in etwa richtig liegen. Diese Aufteilung scheint in der Natur des Menschen begründet zu sein; Macht ist einer der wichtigsten Treiber der Vergesellschaftung [31, S. 4]. Die interessante Frage ist daher nicht, wie man die Machtverteilung fundamental verändern kann, sondern wie die Macht ausgeübt wird: Welches Eigentum, welche Autonomie, welche Rechte und welche Partizipationsmöglichkeiten die beiden unteren Schichten in einer Gesellschaft erhalten.