Ulrich Schödlbauer

Chor

Hallo ihr beiden:
Rückgrat zeigen ist anstrengend.
Bitte schont eure Kräfte
für den gemeinsamen Feind.
Unsere Geduld ist endlich.
Eure Zeit läuft ab.
Komm näher, Odysseus.
Du wirst diesen Polyphem blenden
wie hundertmal vorher.
Erneut wirst du beweisen: der Einäugige hat keine Chance
gegen die Tücke. Einmal mehr
wirst du Niemand sein und einmal mehr
wird dich die Eitelkeit blenden.
Lass dir gesagt sein: der Alte hier,
der sich Silen nennt und nach dem Stoff giert,
den ihr ihm durch die Gurgel schickt, auch sein Verrat
ist nicht der neueste. Er ist vollbracht.
Auch deine Tat ist vollbracht.
Wärst du nicht blind vor Angst, du sähst das Aug,
das du um jeden Preis durchbohren willst,
an seinem Kettchen baumeln: frei von Hass.
Der Tote trägt den Toten auf der Brust.

Odysseus

Mir soll keiner nachsagen, ich hätt
euch nicht ausreichend zugehört, denn viel
zu lang geht mir eure Rede schon
im Kopf herum, ich will nicht wissen,
ob ihr verrückt seid oder doch eher Komplizen:
ich weiß es wirklich nicht. Für einen Toten scheint
Silen mir quicklebendig. Wenn das die Art
von Tod ist, die in dieser Höhle haust,
dann stell ich mich auf ein Gemetzel ein.

Chor

Er hat uns bezahlt, ausstaffiert, unsere Freiheit
in Freizeit verwandelt und jetzt wollen wir, dass du ihn tötest.
Wenn du uns fragst, wie er aussieht, dann müssen wir passen, denn keiner
sah ihn bis heut. Aber wenn du uns fragst,
ob es ihn gibt, dann antworten wir dir im Chor: Ja, töte ihn.
Wir geben dir Vollmacht. Seit dein Boot
Sizilien anlief, lebt es sich leichter. Warum, wissen wir nicht, aber
es lebt sich leichter. Wir wollen Erlösung.

 

 

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