An das Pu­bli­kum und für das En­sem­ble

Aus dem Satz von der Welt als Wille und Vor­stel­lung folgt der Satz vom Thea­ter als Wille zur Vor­stel­lung.
Die Auf­for­de­rung, zu Be­ginn des Stü­ckes an Sie ge­rich­tet, nicht sich tot zu stel­len, son­dern sich vor­zu­stel­len, Sie seien es nur – ist die Auf­for­de­rung eines Thea­ters, dem die Vor­stel­lung als Vor-stel­lung gilt.
Ein sol­ches Thea­ter der Il­lu­si­on per­so­ni­fi­ziert den Tod, denn der ist die thea­tra­li­sche Il­lu­si­on, dem Leben da oben von hier unten aus zu­schau­en zu kön­nen.
Heißt das aber, Ihre Vor­stel­lung muss zu einem To­ten­stück oder gar To­des­stück miss­ra­ten?
Zum Glück nicht!
Denn was Sie durch­ster­ben wer­den, ist – opéra mort! – nur ein Stück totes Thea­ter.
Wir muten Ihnen den Alp­traum einer Thea­ter­fi­gur zu, die, aus einem an­de­ren Stück, in dem uns­ri­gen die Rolle des ei­ge­nen Va­ters gibt und bei dem Ver­such, des­sen Tod dar­zu­stel­len, in wie­der einem an­de­ren Stück, buch­stäb­lich mit­samt der Rolle da­hin­schei­det.
Der Tod, für den einen Au­gen­blick selbst der Il­lu­si­on sei­ner Il­lu­si­on er­le­gen, ge­währt der Figur eben die­sen als Mo­ment des Wei­ter­spie­lens (die Ewig­keit ist das Zeit­pro­blem des Todes), indem er ihr das Da­sein in sei­ner Thea­ter­welt als Auf­füh­rung vor­täuscht.
Dies ge­schieht mit­telst drei­er Trau­mer­schei­nun­gen, wel­che die fol­gen­den Titel tra­gen: das Freu­den­haus der Ver­gan­gen­heit, das Toll­haus der Ge­gen­wart, das Lei­chen­haus der Zu­kunft.
Im ech­ten Büh­nen­le­ben ent­spricht das etwa dem, was man das Buh­len um die Rol­len (Be­set­zung), den Irr­sinn der Pro­ben (Regie), das Tief­frie­ren des Re­per­toires (Spiel­plan) nennt.
Dass so ein Stück kei­nen Autor haben darf, ver­steht sich von selbst. Der Autor ist un­fä­hig zur thea­tra­li­schen Il­lu­si­on – würde er sonst Stü­cke schrei­ben ? – be­zie­hungs­wei­se der Autor und die Il­lu­si­on, die er sich zu sei­nem Stück ma­chen könn­te, sind ein Nichts im Ver­gleich zu dem, was Sie, also Ihre Vor­stel­lung, also das Thea­ter aus sei­nem Stück ma­chen. Darum habe ich, der Autor, mich, den Autor, gleich von vorn­her­ein nicht vor­ge­se­hen.
Was hätte in dem Thea­ter toter Vor­stel­lun­gen ich le­ben­der Autor auch zu su­chen?
Und so bitte ich ers­tens darum, dies­mal als ent­schul­digt feh­len zu dür­fen, und zwei­tens, dass mir ge­stat­tet sei, den an Sie ge­rich­te­ten Brief mit einer Wid­mung für das En­sem­ble zu ver­se­hen, weil es die schwie­rigs­te Auf­ga­be über­nom­men hat, die am Thea­ter ver­ge­ben wird, näm­lich Ihrer Vor­stel­lung zu ent­spre­chen, was heißt, einer Il­lu­si­on durch die noch grö­ße­re.

Apro­pos.

Am Schluss des Stü­ckes be­fin­den Sie sich ge­wis­ser­ma­ßen hin­ter dem Vor­hang der Vor­stel­lung, die Sie sich ge­ra­de ge­macht hat­ten. Wäh­rend Sie der Thea­ter­fi­gur zu­se­hen, wie diese für den Auf­tritt vor­be­rei­tet wird, mit dem Ihre Vor­stel­lung be­gann, endet deren Auf­füh­rung für immer. Was Sie jener aber min­des­tens vor­aus­ha­ben, be­sagt am tref­fends­ten des Gor­gi­as von Leon­ti­ni Aus­spruch über die Büh­nenil­lu­si­on, bei der »der Ge­täusch­te wei­ser ist als der Nicht­ge­täusch­te«.

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